Schweizer CEOs rücken mentale Gesundheit in den Fokus

Mentale Probleme belasten Schweizerinnen und Schweizer zunehmend bei der Arbeit – mit gravierenden Folgen für die Performance von Unternehmen und die Wirtschaft als Ganzes. In der neuen Video-Initiative «The Cost of Silence» brechen elf couragierte CEOs führender Schweizer Unternehmen ihr Schweigen.

Nathalie Agosti (hinten) und Claire Garwacki, Initiantinnen der Kampagne „The Cost of Silence“, wo 11 CEOs das Thema „Mentale Gesundheit“ in den Fokus rücken. (Bild: zVg)

Anlässlich des Mental Health Awareness Month hat die Initiative «The Cost of Silence» elf Schweizer CEOs zusammengebracht. Sie wurden eingeladen, ohne das Konzept oder die Fragen im Voraus zu kennen. Jede Frage basierte auf realen Erlebnissen aus dem Arbeitsalltag – etwa sich vor Erschöpfung auf der Toilette kurz auszuruhen. Von über 100 angefragten CEOs sagten elf zu – und sprachen offen. Ihre ungeschönte Reaktion: Der Druck ist real – und er ist allgegenwärtig.

Immer noch ein Tabu: Mentale Gesundheit

Alle 35 Sekunden wird in der Schweiz eine Person wegen psychischer Belastungen krankgeschrieben. Alle 90 Sekunden erleidet jemand ein Burnout [1]. Obwohl das Bewusstsein zunimmt, wird mentale Gesundheit insbesondere am Arbeitsplatz noch immer oft tabuisiert.

Die wirtschaftlichen Folgen sind verheerend: Schätzungen zufolge verursacht der Produktivitätsverlust durch psychische Erkrankungen jährliche Kosten von 17,3 Milliarden Franken [2] – das entspricht rund 2 Prozent des Schweizer BIP [3]. Das sind schlechte Nachrichten in Zeiten, in denen internationale Wettbewerbsfähigkeit Belastbarkeit und Höchstleistung erfordert.

«Mentale Gesundheit managen ist Unternehmensstrategie», sagt Nathalie Agosti, eine der Initiantinnen der Kampagne. «Diese Kommunikationsinitiative zielt darauf ab, das Tabu unter den engagierten Arbeitskräften der Schweiz zu brechen und mentale Gesundheit als wichtigen Performance-Faktor zu positionieren, um die Schweiz fit für die Zukunft zu machen.»

Insbesondere auf C-Level-Ebene ist der Druck enorm gross: Mehr als jede dritte Führungskraft operiert aufgrund von übermässigem Stress im Überlebensmodus. Claire Garwacki, Initiantin der Kampagne, erlebt das täglich: «Bei jedem Meeting sind ein bis zwei Drittel der Teilnehmenden zu erschöpft, um voll präsent zu sein und zu performen [4]. Das ist ein enormer Produktivitätskiller – und es ist höchste Zeit, dass darüber gesprochen wird.»

Kampagne «The Cost of Silence»

Die Kampagne «The Cost of Silence» wurde von Nathalie Agosti, Gründerin von Outlive Advisory, und Claire Garwacki, Gründerin von Bellevue Executive Search, initiiert. Bereits 2024 sorgten sie mit ihrer Initiative «In Her Chair» für Aufsehen. In der neuen Kampagne werden elf CEOs aus der Schweizer Wirtschaft vor der Kamera mit realen Fakten und Anekdoten zum Thema mentale Gesundheit bei der Arbeit konfrontiert. Ziel der Kampagne ist es, das Tabu zu brechen und das Bewusstsein dafür zu schärfen, dass gute mentale Gesundheit ein wichtiger Performancefaktor ist.

Teilgenommen an der Kampagne haben folgende CEOs:

  • Nora Teuwsen, ABB Schweiz
  • Denis Machuel, Adecco Group
  • Florian Saur, Astra Zeneca Schweiz
  • Patricia Mattle, Elipslife
  • Marc Werner, Galenica Gruppe
  • Felix Graf, NZZ Mediengruppe
  • Billy Kneubühl, Oracle Schweiz
  • Muriel Langenberger, Pro Mente Sana
  • Achim von Leoprechting, Tecan Group
  • Tina Müller, Weleda
  • Peter Spirig, ehemals V-ZUG

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Unternehmen sind Teil der Lösung

Effektive Lösungsansätze gehen über individuelle Resilienz-Trainings hinaus. Etablieren Unternehmen Mental-Health-Richtlinien, reduziert sich der Anteil Mitarbeitender mit psychischen Problemen um die Hälfte (von 16 Prozent auf 8 Prozent) [5].

«Psychische Gesundheit zu vernachlässigen, kostet uns mehr, als wir wahrhaben wollen. Setzen Unternehmen aber auf Empathie, schärfen das Bewusstsein und schaffen eine proaktive Kultur, kann mentale Gesundheit zu einem wichtigen Renditetreiber werden», erklärt Patricia Mattle, CEO von Elipslife. Gemäss einem Report von Gallup [6] erzielen Unternehmen mit einem hohen Engagement der Mitarbeitenden 147 Prozent höhere Gewinne pro Aktie als solche mit einem tiefen Engagement.

Es braucht also Führungskräfte, die als Vorbilder vorangehen und ein Umfeld schaffen, in dem Menschen langfristig gesund bleiben: «Unternehmen, die mentaler Gesundheit Raum geben und eine offene Kultur pflegen, profitieren nachweislich von weniger Krankheitsausfällen, höherer Motivation, stärkeren Teams und nachhaltiger Produktivität», sagt Muriel Langenberger, Geschäftsleiterin der Stiftung Pro Mente Sana, die sich seit Jahrzehnten für die Enttabuisierung psychischer Erkrankungen einsetzt. «Mentale Gesundheit ist kein Luxus – sie ist die Voraussetzung für ein funktionierendes Miteinander, in der Gesellschaft wie im Unternehmen.» Wer das erkennt und jetzt handelt, sichert sich einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil.

 

Anmerkungen:

[1] Diese Zahlen basieren auf folgenden Daten: Erwerbstätige in der Schweiz: 5’327’000 Personen (Quelle: Bundesamt für Statistik); davon 17 % krankgeschrieben wegen psychischer Probleme, 7 % erlitten ein Burnout (Quelle: AXA Mind Health Report 2024)

[2] AXA, «Mentale Gesundheit: Schlechte Noten für Arbeitgeber»

[3] Berechnungsgrundlagen: BIP 2023: 803,6 Milliarden Franken (Quelle: Bundesamt für Statistik)

[4] Susan Goldworthy, «The leadership burnout crisis»

[5] AXA, Mind Health Report 2025

[6] Gallup Business Journal, «How Employee Engagement Drives Growth»

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