Realität oder Friktion: Gibt es die Schweiz im Jahr 2030 noch?

Am KMU Swiss Forum vom 21. März im Trafo Baden ging es um Zukunft-Szenarien bzw. wie unsere Arbeitswelt und die Schweiz aussehen könnten. Wie viel davon Realität sein wird, Fiktion oder sogar mit Friktionen verbunden, darüber sprachen verschiedene Referenten.

Realität oder Friktion? Eine Frage des richtigen Entscheidens. Reto Blum (rechts) zeigte dem Publikum, das scheinbar richtige Entscheide auch falsch sein können. (Bilder: Thomas Berner)

Herausforderungen 2030: Realität oder Friktion? Nein, das ist kein Schreibfehler: Am KMU Swiss Forum am 21. März im Trafo Baden ging es tatsächlich um dieses Thema. Denn die Realität, in der sich KMU heute bewegen, ist VUKA, also geprägt durch Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Ambiguität, also Vieldeutigkeit. Dass da Friktionen schon fast vorprogrammiert sind, versteht sich von selbst. Wer damit am besten umgehen kann, denen stehe die Welt offen, so Veranstalter Armin Baumann in der Tagungsbroschüre.

Entscheiden und innovieren

Das Tagungsthema wurde von den Referenten und Referentinnen aus verschiedenen Aspekten behandelt. Der Entscheidungsarchitekt Reto Blum setzte einen ersten Punkt: In seinem Referat ging es um das Thema „Entscheidungen“. „Wer nicht entscheidet, für den entscheiden andere“, so seine Einleitung. Anhand von anschaulichen Beispielen vermochte er zu zeigen, dass wir Menschen immer noch häufig intuitiv entscheiden. «Wir sind zu faul, um zu denken», so ein Fazit des Referenten. Er verwies darauf, dass der Mensch sich linear entwickle, die Technologie jedoch exponentiell. Das führe dazu, dass wir paralysiert seinen und lieber im Status Quo verharren.

Für eine „friktionslose“ Zukunft sind Innovationen entscheidend, wie Jürg Zwahlen darlegte. (Bild: Thomas Berner)

Diese Zukunft: Sie wird krass werden, meinte anschliessend Jürg Zwahlen, VR-Präsident von Birchmeier Sprühtechnik. Der Mensch wird zunehmend Mühe bekunden mit der Geschwindigkeit der exponentiell verlaufenden Technologie. Ein Paradigmenwechsel weg von Bewahrern hin zu Veränderern sei nun notwendig. Und für Veränderungen ist Innovation zwingend. Wie dies sein Unternehmen anpackt, zeigte er anhand der Neuentwicklung eines Sprühgeräts mit elektronischer Sprühstrahl-Steuerung. Diese Innovation sei nur möglich gewesen durch Kooperationen mit Know-How-Trägern ausserhalb des eigenen Unternehmens. Und genau dies sei das Konzept, mit dem sich die Schweiz neu erfinden müsse: Durch Vernetzung von Kompetenzen.

Realität oder Friktion in Sachen Recht und Geld

Auf eine ganz andere Realität ging im nächsten Referat Mascha Santschi Kallay ein. Die neuen Medien führen mitunter dazu, dass Dinge in die Öffentlichkeit geraten, über die kein Unternehmen gerne spricht, z.B. laufende Gerichtsverfahren. Wie ungeschickte Kommunikation über Straffälle der Reputation von Personen oder Unternehmen schaden können, zeigen Medienberichte fast schon täglich. Das sog. Justizöffentlichkeitsprinzip gehört aber zu jedem funktionierenden Rechtsstaat, deshalb gelte es auch unangenehme Dinge professionell zu kommunizieren.

Dass die Schweiz auch 2030 immer noch ein Erfolgsmodell sein wird, davon ist Fritz Zurbrügg, Vizepräsident des Direktoriums der Schweizerischen Nationalbank, überzeugt. Die Schweizer Wirtschaft habe sich trotz Krisen immer wieder als sehr resilient gezeigt. Entscheidend dazu beigetragen habe dabei die Unabhängigkeit der Nationalbank. Indem sie die Preisstabilität mit allen Mitteln durchsetzt – auch indem sie inzwischen das Neuland negativer Zinsen betreten hat – wird das Erfolgsmodell Schweiz auch weiter Bestand haben.

Disruption auf allen Kanälen

«Disrupt yourself» – das war der Titel des Beitrags der TV-Wirtschaftsjournalistin Patrizia Laeri, welche in ihrem Blog #aufbruch regelmässig über die Chancen der Digitalisierung schreibt. Sie zeigte dem Publikum, wie Social Media etwa als Rekrutierungsplattformen genutzt werden können und als einfache Big Data-Analysetools funktionieren. Sie verwies auch auf die Wichtigkeit von Storytelling – «ohne Content geht nichts» – aber auch darauf, dass es immer auch noch den Offline-Kanal zu bespielen gilt.

Andreas Münch, bei Migros verantwortlich für die Bereiche Logistik, IT, Gebäude/Infrastruktur/Facility Management und Transport, sprach über den Wandel im Handel. Ein Blick in die Unternehmensgeschichte zeigte, dass die Migros schon immer disruptiv unterwegs war. Die ersten Verkaufswagen von 1925 bezeichnete er als «Mobile Shopping 1.0». Heute gehe es hingegen um «Everywhere commerce». Und das bringe grosse Herausforderungen für die Logistik mit. Algorithmen sind heute bereits in der Lage, durch «predictive analytics» Konsumbedürfnisse zu antizipieren und Waren entsprechend bereitzustellen. Und auch Einkaufen in Läden ohne Personal oder sogar komplett virtuell von zu Hause aus ist nicht mehr nur reine Zukunftsmusik. Wie weit solche Convenience mit der Preisgabe von Privatsphäre erkauft werden muss, darüber müsse aber ebenfalls diskutiert werden.

Sport und leistungsfähige Sicherheit

Der Nachmittag stand zunächst ganz im Zeichen des Skisports. Urs Lehmann, Präsident von Swiss-Ski, erläuterte, wie sich der Skiverband in den letzten Jahren stetig professionalisiert hat. «Der Athlet steht im Zentrum, nicht der Funktionär», so Lehmann. Wie Skistars heute als Einzelunternehmer in eigener Sache unterwegs sind, wurde anschliessend mit Bruno Kernen und Marco Odermatt auf dem Podium diskutiert. Das Schöne am Sport sei, so Kernen, dass man hier ein Hobby zum Beruf machen könne. Er liess aber auch durchblicken, dass nach Ende der Sportlerkarriere ein neues Leben beginnt, wo man viele Dinge wieder selbst in die Hand nehmen muss. Da wünsche er sich, dass der Verband neue Lösungen entwickle.

Die Realität des Skisports: Hugo Bigi (links) im Gespräch mit Bruno Kernen, Marco Odermatt und Urs Lehmann (v.l.n.r.) (Bild: Thomas Berner)

Letzter Referent war schliesslich Armeechef Philipp Rebord. Er dankte zunächst allen KMU, denn sie seien es, welche eine Milizarmee erst ermöglichen würden. Ferner erläuterte er die weitere Entwicklung der Armee und wie sie sich für neue Bedrohungen – vor allem im Bereich Cyber War – wappnen will. Natürlich ging Rebord auch auf die laufende Diskussion um die Beschaffung neuer Kampfflugzeuge, die dann ab 2030 im Einsatz stehen, wenn der gesamte politische Prozess ohne Friktionen verläuft.

Moderiert wurde das KMU Swiss Forum wiederum durch Hugo Bigi. Den Abschluss der Veranstaltung bildete auch dieses Jahr ein «öffentlicher Teil» auf Einladung des Stadtrats Baden in Partnerschaft mit dem Kongresszentrum Trafo Baden und KMU Swiss.

www.kmuswiss.ch

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