Rückblick zum Zürcher Logistik-Kolloquium: Erfahrungen und Trends aus der Praxis

Das 37. Zürcher Logistik-Kolloquium war ein voller Erfolg. Die Ausgabe von 2022, durchgeführt von Dr. Acél & Partner AG in Zusammenarbeit mit der ETH Zürich, Institut für Werkzeugmaschinen und Fertigung IWF, zeigte mit seinen Leuchtturmprojekten «New Level Operations»: Die Zukunft ist digital!

Jedes Jahr im Frühling findet das traditionelle Zürcher Logistik-Kolloquium statt. Bei diesem Anlass stellen jeweils drei oder mehr Manager der Schweizer Wirtschaft ihre Leuchtturmprojekte vor. Hier Daniel Gilgen bei seinem Referat. (Bild: Dr. Acél & Partner)

Am Dienstag, 10. Mai 2022 konnte das Zürcher Logistik-Kolloquium nach zwei Jahren «Covid-19»-bedingter Pause wieder im Dozentenfoyer der ETH Zürich durchgeführt werden. Rund 70 Gäste nutzten die Gelegenheit für einen regen Gedankenaustausch im Verlauf der vier Präsentationen. Nicht fehlen durfte danach ein Ausblick auf einen wunderschönem Sonnenuntergang über der Stadt Zürich.

„Kein Maschinenbau ohne Logistik

Als erster Referent postulierte Herr Prof. Dr.-Ing. Frank Brinken, Chairman und Founder der BB Intec AG in Rotkreuz und Inhaber diverser Aufsichts- und Verwaltungsratsmandaten „Kein Maschinenbau ohne Logistik». Eindrücklich veranschaulichte er, dass die Werkzeugmaschinen die Mutter aller Maschinen sind. Ohne Werkzeugmaschinen keine industriellen Produkte. Den grössten Weltmarktanteil (35%) in der Produktion von Werkzeugmaschinen hat Europa mit einem Umsatz von rund 28 Mia. Euro (2019). Dabei macht Brinken klar, dass es für solche Maschinen mit bis zu 12‘000 Einzelteilen nicht nur gute und langfristige Lieferantenbeziehungen braucht, sondern auch ein grosser Vorfinanzierungsbedarf sichergestellt sein muss. Die kundengeforderte Vielfalt entsteht aus der Kombination von Basismaschinen mit verschiedenen Komponenten und spezifischen Baugruppen. In der Produktentwicklung; z.B. auch durch «design-to-shipment» lassen sich Transportkosten und -zeit sparen. Für Qualitätskomponenten gibt es weltweit nur drei globale Cluster: Europa mit Italien, Süddeutschland, Tschechien und der Schweiz, Taiwan und Japan. Bis dato sei der Maschinenbau noch mehrheitlich von den aktuellen Krisen verschont geblieben. Doch wer heute in Europa bereits die drei grössten Herausforderungen wie das Dilemma der kleinen Stückzahlen, Sourcing und Transportkosten angeht, ist gut für die Zukunft gerüstet, resümiert Brinken.

Wie man den Lagerbestandswert reduziert

Frau Dr. Gesine Moritz, Divisionsleiterin Supply Chain Management und Mitglied der Geschäftsleitung der Woodpecker AG Frauenfeld, folgt mit ihrem Einblick zum «Change im Handel». Bildlich zeigte sie den Weg der Woodpecker AG von verteilten lokalen Händlern zur zukunftsgerichteten und erfolgreichen prozessorientierten Verkaufsorganisation auf. Dabei war die Logistik der entscheidende Erfolgsfaktor. Service Levels wurden erarbeitet und umgesetzt. Z.B. werden neu Kundenbestellungen, die bis 17:00 Uhr eingehen, am Folgetag garantiert geliefert. Der Lagerbestandswert ist innerhalb von drei Jahren um über 20% reduziert und der Lagerumschlag von 2.5 auf 4.5 erhöht worden. Die grössten Stolpersteine in dieser Transformation waren zugleich die grössten Erfolgsfaktoren: WIR Menschen. Bewährt hat sich dabei besonders die regelmässige Kommunikation mit den Mitarbeitenden, der Einbezug von Anfang an nach dem Motto «Betroffene zu Beteiligten machen», Vertrauen und Ermächtigung sowie das Aussteigenlassen von Bremsern.

Digitalisierung trifft Automatisierung

Die Zukunft ist digital! Dies zeigte Daniel Gilgen, stv. CEO und Geschäftsbereichsleiter Systeme bei Gilgen Logistics AG Oberwangen, zum Thema «Digitalisierung trifft Automatisierung» eindrücklich auf. Gilgen gab vertieften Einblick in die Umsetzung der lückenlosen Datendurchgängigkeit über den gesamten Lebensweg der Logistikanlagen. Der innovative Lösungsansatz von Gilgen Logistics AG verknüpft modernste Technologien, wie Augmented Reality, Digitaler Zwilling, Cloud Server und GS1 Digital Link mit Kunden- sowie Hersteller-Systemen und führt sie mit der Intralogistik zusammen. Die Daten sind jederzeit von überall in Echtzeit über die Cloud abrufbar. Damit sind sämtliche relevanten Informationen den Beteiligten in der richtigen Form zugänglich. Der Einsatz von Augmented Reality im Verkaufsprozess ermöglicht z.B. den potenziellen Kunden eine virtuelle Begehung des erarbeiteten Anlagen-Konzepts mit der Möglichkeit diese direkt in der virtuellen Welt zu überprüfen. Die erste individuelle digitale Anlage ging im Herbst 2021 in der Verteilzentrale von Denner in Lyss in Betrieb. Bereits nach kurzer Zeit zeigte sich eine erhöhte Produktivität beim Endkunden und Lieferanten.

Austausch und Netzwerken mit Aussicht auf die Stadt Zürich. (Bild: Dr. Acél & Partner)

Gemeinsames Forschungsprojekt

Den Abschluss am diesjährigen Zürcher Logistik-Kolloquium bildeten Werner Züllig, Leiter Technik bei der Geberit Produktions AG Jona und Prof. Dr. Andreas Kunz, Leiter Innovation Center Virtual Reality der ETH Zürich. Sie gaben Einblick zu spannenden Resultaten aus einem gemeinsamen Forschungsprojekt zum Thema «Virtual Reality in der Arbeitsplatzgestaltung». Stabile standardisierte Prozesse sollen mit dem Geberit Produktions-System sicherstellen, dass auch manuelle Arbeitsplätze bei gleichzeitiger Vermeidung von Ressourcenverschwendung verbessert werden können. Im gemeinsamen Forschungsprojekt wurden Arbeitsplatze gänzlich in der virtuellen Welt mit der MTM Methode bewertet und Verbesserungspotenziale erhoben. Die Benefits sind eine anhaltend hohe Cash-Generierung, auch bei kleinen Stückzahlen, sowie operative Margen, die deutlich über dem Industriedurchschnitt liegen. Geberit treibt diese strategische Initiative der Digitalisierung bewusst voran und sieht darin eine grosse Chance von echter Wertschöpfung am Standort Schweiz.

Quelle und weitere Informationen

(Visited 148 times, 1 visits today)

Weitere Beiträge zum Thema