Geld gut optimiert ist halb nicht-ausgegeben

Hannes ist eine fiktive Figur in einem Industrieunternehmen, und «Hannes managt» ist der Titel der dazugehörigen Geschichten-Serie. Inklusive feinsinniger Satire aus den und über die Management-Etagen …

© Johannes Lott
© Johannes Lott

Nach Jahren diverser Optimierungsprozesse steht man wieder vor neuen Herausforderungen. Alles, was man gekürzt, halbiert, ausgelagert und sogenannt «optimiert» hat, ist erledigt. Hannes reflektiert, dass das anspruchsvolle Jahre waren. Aber das Credo wurde plakatiert: «Da müssen wir durch – dafür gibt’s nachher gute Zeiten». Heisst: jetzt auf die Zähne beissen, alles auswinden, was es auszuwinden gibt und anschliessend sich wieder dem Tagesgeschäft widmen. Hannes hat sich auf diesen Moment gefreut, dass die Geschäftsleitungssitzungen sich wieder ums Kerngeschäft drehen und nicht mehr nur die fragende Aufforderung gestellt wird: «Wo kann man noch etwas an den Kosten schrauben».

Frohgelaunt nimmt Hannes Platz im Gremium. Verdächtig wirkt aber, dass der Finanzchef vor Beginn der Sitzung schon da ist und versucht, seinen Laptop via ClickShare mit dem grossen Bildschirm zu verbinden. Dass permanent irgendwelche Anleitungen, wie ClickShare verbunden werden soll, anstatt ein Bild angezeigt wird, beginnt an den Nerven des CFO zu nagen. Aber Hannes, als Mann der Tat, holt aus einer verstaubten Schublade ein noch verstaubteres HDMI-Kabel hervor, verbindet es und schon erscheint «source found» und dann die Begrüssungsfolie.

Deren Inhalt aber lässt wenig Gutes vermuten. «Optimierung und Globalisierung des Auszahlprozesses». Bei «Optimierung» läuten bei Hannes die Alarmglocken und er hegt den Verdacht, dass seine Ideen für neue Produkte in der Diskussion wieder hinten anstehen müssen.

Und so kam es. Das Meeting startet mit einer kurzen Einleitung des CEO, bei dem der unerschütterliche Glaube der Optimierungen als Spoiler zum Thema dezidiert platziert wurde. Mit «Wir haben eruiert und evaluiert» kommt der Gralshüter der Schatzkammer stracks auf den Punkt. Die Auszahlprozesse sind zu teuer. Zumal es hier um Geld geht, auf das andere Anspruch wohl haben, aber bei dem wir in diesem Moment ja nur Rechnungen begleichen. Sprich: Lohnzahlungen, Kauf von Maschinen, Dienstleistungen, Rückvergütungen im Rahmen von Garantieansprüchen usw.

Hier liegt noch Optimierungspotenzial. Denn Geld, das man ausgeben muss, sollte man am besten einfach nicht ausgeben – oder zumindest später. Dann hat man’s länger. Einfache betriebswirtschaftliche Zusammenhänge aus der Schule.

Daher wurde entschieden, dass man den ganzen Auszahlprozess nach Indien auslagert. Dort arbeiten sie ja nicht nur günstiger. Sondern man kann, wenn die Überweisung nicht eintrifft, nicht einfach ins Büro trampeln und ein «wo bleibt das Geld?» kommunikativ auf den Tisch knallen. Der Pilotbetrieb hat gezeigt, dass auch E-Mails nicht oder kaum beantwortet werden oder zumindest mit dreiwöchiger Verspätung. Das alles schafft wieder Raum, um mit dem Geld etwas anderes anzufangen, als es auszugeben. Hinzu kommt, dass der Prozess vorsieht, dass an Feiertagen in Indien nicht gearbeitet wird und an einem Feiertag in Europa das Geld auch nicht überwiesen wird. Ist ja logisch … An Auffahrt braucht auch niemand das Geld einer bezahlten Maschine.

Also konstatiert man, dass z. B. konkret im April an Tagen wie Mahavir Jayanti, Pessach-Beginn, Vaisakhi, Mesadi, Ambeddkar aufgrund indischer und am Montag nach Palmsonntag, Karfreitag, Ostermontag und Vorabend des 1. Mai aufgrund europäischer Feiertage keine Überweisungen laufen. Selbstverständlich ist der Dienst generell von Freitag-Mittag bis Montag-Mittag brach. Denn am Montag wird nirgends Geld ausgegeben, schliesslich sitzen dort alle an Meetings – um z. B. über zu optimierende Auslagerungsprozesse zu befinden …

 

Autor

© Daniela Bologna
© Daniela Bologna

Stefan Häseli ist Kommunikationstrainer, Keynote-Speaker, Moderator und Autor mehrerer Bücher. Er betreibt ein Trainingsunternehmen in der Ostschweiz. www.stefan-haeseli.com

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