Wenn Löwen High Heels tragen

Am 19. August 2025 startete die siebte Staffel von «Die Höhle der Löwen Schweiz» mit der ersten Sendung. Fünf junge Firmen buhlten um die Gunst der Investorinnen und Investoren. Und diese wären auch bereit gewesen, ihre Geldbörsen zu öffnen, wenn sich einige Entrepreneure nicht unnötig selbst im Wege gestanden wären.

Einmaliges Erlebnis für Roland Brack: Erste Schritte in High Heels. Doch investieren wollte er dann doch nicht. (Bild: Screenshot / CH Media)

Als erste gingen Jonas, Äxel und Remo aus Zürich mit The Tours, einer Motorradtouren-App an den Start: The Tours. Mit einer 360-Grad-Matchmaker-Funktion wollen sie jede Fahrt zum perfekten Erlebnis machen. Die App vereint das Planen, das Kommunizieren von Tour-Teilnehmenden untereinander und das Navigieren auf einer Plattform. Auch Informationen über Schwierigkeitsgrad der Tour, Attraktionen und Verpflegungsmöglichkeiten unterwegs liefert The Tours. Mehr noch: Dank KI steht jedem User, jeder Userin ein persönlicher Töff-Erlebnisagent zur Verfügung. Für die weitere Unternehmens- und Produktentwicklung benötigen die Gründer 200’000 Franken gegen 10 Prozent Firmenanteile. Doch die Löwinnen und Löwen wollten noch mehr wissen: Wie differenziert sich die App von anderen, die schon am Markt sind? Wie finanziert sie sich? Mit 5000 aktiven Usern und 7000 Franken Ertrag im 2024 sehen sich die drei Gründer selbst immer noch als sehr klein an (im Vergleich: Andere Apps zählen bis zu einer Million Downloads…). Löwe Felix Bertram verabschiedete sich als erster. Für ihn will die App zu viel auf einmal, und er bemängelte insbesondere, dass anscheinend die Mund-zu-Mund-Propaganda nicht funktioniert. «Nur mit Geld allein lässt sich Reichweite nicht erzielen», so sein Fazit. Roland Brack kritisierte, dass die App einerseits mit KI funktionieren soll, anderseits aber jede Tour noch händisch erfasst werden. Lukas Speiser sah die grösste Schwierigkeit darin, aus wenigen Usern in kurzer Zeit viele machen zu wollen. Für Nicole Büttner-Thiel gab es ebenfalls noch mehr Fragen – Monetarisierung, technologische Roadmap – als Antworten, und sie war raus. Tom Zimmermann vermisste das entscheidende Alleinstellungsmerkmal und verzichtete ebenfalls auf ein Investment. Wohl oder übel mussten sich die drei Gründer also ohne Deal verabschieden – werden aber mit ihrer App sicher weitermachen. Vielleicht ist ja die Strategie «Nischenplayer» gar nicht so verkehrt.

«Go fit» ohne Zucker

Kann Konfitüre gesund sein? «Wenn ja, dann muss sie wirklich viel gesünder sein als normale Konfitüre», so das Anfangs-Statement von Felix Bertram. Genau diesen Anspruch haben Dani und Anita von Tasty spready aus Zürich: Sie präsentierten mit ihrer «Gofitüre» eine gesunde Konfitüren-Alternative. Sie kommt im Quetschbeutel daher, umfasst bisher vier Sorten und verzichtet auf Zucker – den wohl ungesundesten Teil eines Frühstücks. Doch wie auch Anita weiss: «Geschmack steht am Schluss über jedem Gesundheitsversprechen.» Und es geht den Beiden auch nicht primär ums Geld: Sie haben zwar eben eine Finanzierungsrunde erfolgreich abgeschlossen und sind bereit für Wachstum, wollen dieses aber mit Coaching, einem Beirat und einem Netzwerk begleiten. Deshalb war ihr Kapitalbedarf von 1 Franken gegen 1 Prozent Firmenanteile vor allem symbolisch zu verstehen. Die Degustationsrunde fand Anklang bei den Löwen und der Löwin. Geschätzt wurden Geschmack und eine ausgewogene Balance zwischen Säure und Süsse. Erhältlich ist «Gofitüre» im eigenen Webshop, bei Galaxus.ch oder in einzelnen Bioläden. Das Listing bei Detaillisten ist noch im Aufbau. Im Jahr 2024 konnten 25’000 Franken Umsatz erzielt werden. Und wie sah es nun mit der Investitionsbereitschaft der Löwin und der Löwen aus? Felix Bertram, Lukas Speiser, Nicole Büttner-Thiel und Tom Zimmermann zollten den Beiden grosses Lob für ihr Engagement, verzichteten aber auf eine Beteiligung. Blieb noch Roland Brack: Er fragte nach der genaueren Firmenstruktur. Dani erläuterte, dass «Gofitüre» erst ein Anfang bilde einer eigentlichen «Go fit»-Bewegung. Dieses Potenzial schien Roland Brack zu überzeugen und er war bereit, für diesen symbolischen Franken einzusteigen – im Wissen darum, dass der Nahrungsmittel-Markt kein einfacher ist. Doch dies tat der Freude der beiden Gründer keinen Abbruch.

Stiessen mit ansteckender Lebensfreude auf viel Goodwill bei den Löwinnen und Löwen. (Bild: Screenshot / CH Media)

Samtene Pfoten – harte Landung

Martin und Fiorella aus Minusio (TI) stehen hinter Cheetah stories. Ihr Produkt: Die nach eigenen Angaben ersten veganen High Heels, die bequem und trotzdem stylisch sein sollen. Inspirieren liessen sich die beiden Gründer von Leoparden-Pfoten, deshalb auch der Firmenname «Cheetah». Und die Schuhe nennen sich entsprechen auch «Chee-lettos». Gleich mehrere Probleme wollen die Gründer mit ihren Produkten lösen: Verzicht auf den problematischen Rohstoff Leder und die Tatsache, dass die meisten High Heels von Männern designt werden. Das Resultat: Ein Schuh, dem man seine bequemen Eigenschaften nicht ansieht und komplett aus veganen Materialien besteht. Für das Go-to-Market wollten die beiden eine Investition von 150’000 Franken gegen 10 Prozent Firmenanteile. Dann ging es ans Ausprobieren: Während für Nicole Büttner-Thiel keine passende Grösse vorhanden war, zeigte sich Anja Graf als Expertin für High Heels. Sie attestierte den Schuhen einen hohen Tragekomfort, der sich aber kaum von dem ihres Jimmy-Choo-Modells unterschied, wie sie sagte. Roland Brack liess es sich ebenfalls nicht nehmen, als Mann ein paar dieser Schuhe anzuprobieren – und er konnte sogar einigermassen elegant darin gehen. Der Preis von 880 Franken sorgte dann aber für Stirnrunzeln, schien aber angesichts der Fertigungsqualität, der Materialien und der ergonomischen Ausstattung durchaus gerechtfertigt. Tom Zimmermann riet gleichwohl, die Produktionskosten zu senken und verzichtete auf ein Investment. Auch Nicole Büttner-Thiel lobte das Projekt zwar in den höchsten Tönen, wollte aber ebenfalls nicht investieren. Felix Bertram fand, dass die beiden Gründer zu viele Themen besetzen wollen – Luxus, Bequemlichkeit, Veganismus – und sich vielleicht besser auf einen einzigen USP konzentrieren sollten. Auch er stellte sich nicht als Investor zur Verfügung. Beim Thema Luxus mussten sich Martin und Fiorella von Anja Graf ebenfalls Kritik anhören: Sie störte sich an zu vielen Nähten und an weiteren einzelnen Details, die den Schuh alles andere als luxuriös erscheinen lassen. Und: «Ich habe noch nie einen Luxus-Schuh getragen, der nicht bequem war». Entsprechend dann auch ihr Votum: «Ich bin als Investorin raus.» Roland Brack bedankte sich für das einmalige Erlebnis, selbst mal High Heels probieren zu dürfen, verzichtete aber ebenfalls auf ein Investment. Trotz gutem Konzept, das auf Nachhaltigkeit setzt, und viel Enthusiasmus reichte es also nicht für einen Deal.

Lesen wird einfacher

Nichts geringeres als eine Revolution versprach Renato aus Chur: Mit Bionic Reading soll Lesen schneller und effizienter werden. Die Methode nutzt die Fähigkeit des Gehirns, allein aus Wortfragmenten die Bedeutung und den Inhalt eines Texts zu erschliessen und zu verstehen. In den sozialen Medien herrscht Begeisterung darüber, vor allem bei vielen Menschen mit einer angeborenen Leseschwäche. Nur: Lässt sich mit Bionic Reading auch ein Geschäft machen? 200’000 Franken gegen 5 Prozent Firmenanteile warf Renato als Kapitalbedarf in die Waagschale. Einige der Löwinnen und Löwen zogen aber die Geschäftsmöglichkeiten stark in Zweifel. Denn auch wenn Renato über einen erfolgreichen Lizenzvertrag mit einem der weltgrössten internationalen Verlagshäuser berichten konnte, musste er zugeben, dass Bionic Reading nicht durch ein Patent geschützt ist. Und auch die bestehende Kundschaft – Bionic Reading ist als Abo erhältlich bzw. als PlugIn für Textverarbeitungssysteme – von rund 4000 Userinnen und Usern vermochte die Investoren noch nicht aus der Reserve zu locken. Felix Bertram verzichtete als erster auf ein Investment, weil er trotz viel Marketing keine Verdienstmöglichkeit sah. Nicole Büttner-Thiel hatte ebenfalls ihre Zweifel und war ebenfalls bald raus. Lukas Speiser sah eine zu grosse Lücke zwischen der hohen Aufmerksamkeit in Social Media und dem bisher bescheidenen Umsatz und machte ebenfalls kein Angebot. Blieben noch Tom Zimmermann und Roland Brack: Tom Zimmermann glaubte an das Projekt und bot 200’000 Franken, allerdings gegen 10 Prozent Firmenanteile resp. 7,5 Prozent, wenn der Umsatz im nächsten Geschäftsjahr wie von Renato hochgerechnet über 5 Millionen erreichen sollte. Auch Roland Brack machte ein Angebot: 200’000 Franken gegen 12 Prozent mit Option auf 10 Prozent, wenn das Umsatzziel von 3 Millionen erreicht würde. Renato musste zuerst etwas überlegen, nahm dann aber das Angebot von Tom Zimmermann an. Der erste «richtige» Deal dieses Abends war somit perfekt.

Will mit seiner Lösung das Lesen revolutionieren: Renato Casutt von Bionic Reading. (Bild: Screenshot / CH Media)

Gute Idee – viele offene Fragen

Endre, Elnaz und Matthijs wollen mit ihrer Plattform Doc-market, einem Marktplatz für medizinische Geräte durchstarten. Rund 65’000 gebrauchte, aber noch voll funktionsfähige Geräte im Wert von 150 Millionen Franken stehen nach Angaben der drei Unternehmer auf ihrer Plattform zum Verkauf. Eine löbliche Idee, denn in vielen Ländern besteht ein grosser Bedarf an solchen Geräten, die in der Regel sehr viel Geld kosten. Und nachhaltig ist es überdies auch, ausgediente Geräte anderswo weiterzuverwenden. Soweit alles gut, einem Investment von 1 Million Franken gegen 8 Prozent Firmenanteil sollte da eigentlich nichts im Wege stehen. Doch die Löwen hatten doch noch ein paar Fragen, und vor allem die Antworten darauf hatten es in sich: Keine existente Marketing-Strategie (Mund-zu-Mund-Propaganda, etwas Google Ads) und eine krasse Diskrepanz zwischen dem erwähnten Angebot und dem daraus erwirtschafteten Umsatz von gerade mal 1,2 Millionen Franken. Und nicht zuletzt die Firmenbewertung, die – ein häufiger Fehler bei jungen Unternehmen – mehr auf Erwartung als auf Substanz beruht. So kam es, wie es kommen musste: Die drei Herren mussten ohne Deal nach Hause. Bedauerlich, denn mit Felix Bertram hätte man die Chance gehabt, einen Mediziner an Bord zu holen. Doch er war sogar der erste, der sich aus dem Bietergefecht verabschiedete. «Da stimmt vorn und hinten nix zusammen», so sein vernichtendes Fazit.

Weiter an die Ideen glauben

Viel Enthusiasmus, Innovationsgeist und viel persönliches Engagement waren in dieser Sendung zu spüren. Und gewiss sind alle hier präsentierten Business Cases auch einigermassen marktfähig. Für den grössten Unterhaltungswert sorgte indes einmal mehr die Naivität, mit der einige Entrepreneure sich in die raue Wirtschaftswelt wagen – aber das kann durchaus auch ein Erfolgsrezept sein.

Sendung streamen hier: https://www.oneplus.ch/catalog/1000604

(Visited 380 times, 1 visits today)

Weitere Beiträge zum Thema