Logistik und Mobilität der Zukunft
Digitale Technologien sind dabei, die Mobilität und die Logistik nachhaltig zu verändern. Welche Lösungen heute schon zur Verfügung stehen und welche Herausforderungen noch auf uns warten, war am 19. September 2025 Thema einer Fachveranstaltung in Dübendorf.

Die Digitalisierung, neue Mobilitätslösungen und sich wandelnde gesellschaftliche Bedürfnisse verändern Märkte und Geschäftsmodelle. Mit welchen Herausforderungen und Lösungsansätzen Unternehmen sich diesen Veränderungen stellen, darüber sprachen Expertinnen und Experten an einer Best Practice-Fachveranstaltung, veranstaltet vom Verband Swiss Export in Kooperation mit dem Logistikunternehmen Dachser. Rund 90 Teilnehmende fanden den Weg zum Switzerland Innovation Park in Dübendorf.
Wenn KI den Durchschnitt fördert
Als Haupttreiber der Digitalisierung gesehen wird derzeit die künstliche Intelligenz. «Führen Sie noch – oder folgen Sie schon?» fragte sich Prof. Dr. Raphael Boemelburg von der Fachhochschule Nordwestschweiz mit Blick auf die Entwicklung der generativen KI (Gen AI). Er hielt dabei fest, dass derzeit noch viel experimentiert wird, ohne dass die Frage nach dem ROI beantwortet ist. Effizienzsteigerungen mit Hilfe von KI lassen sich zwar erzielen, der Business Impact sei aber häufig noch tiefer als erhofft, so Boemelburg. In vielen Unternehmen arbeite man noch nach dem Prinzip «Bring your own AI». Denn wenn Mitarbeitende lieber ihre eigenen KI-Tools nutzen als jene, die das Unternehmen zur Verfügung stelle, lassen sich die Auswirkungen der KI-Nutzung kaum messen. Zudem widerlegte der Referent, dass Menschen in Sachen Kreativität der KI überlegen sind. Denn Untersuchungen zeigten, dass mit der Nutzung von Gen AI die Qualität um 40 Prozent zunehme. Die per KI kreierten Ideen ähneln sich aber: «Vieles entwickelt sich auf Dauer zu einem Einheitsbrei», konstatierte der Referent. Er wies auch auf die Gefahr hin, dass bei zunehmender Geschwindigkeit die Kontrolle immer oberflächlicher werde. Es brauche also robustere Systeme, um die Qualität von Gen AI sicherzustellen. Besonders schwierig könnte es werden, wenn Mitarbeitende Entscheidungen aufgrund KI-gestützter Datenanalysen fällen und dabei in die Falle tappen, blind der Technologie zu vertrauen.
Mit Robotern auf der «letzten Meile»
Ein anderes Technologiefeld, das mit vielen Fortschritten aufwartet, ist die Robotik. Marko Bjelonic, CEO & Co-Founder von RIVR, entführte das Publikum in KI-Anwendungen in der physischen Welt. Konkret präsentierte er Laufroboter, die Warenlieferungen direkt an die Haustür bringen. Die Kombination von Beinen mit Rädern macht diese Geräte flexibel genug, um auch in topografisch schwierigerem Gelände ihren Auftrag erfüllen zu können. Die Roboter müssen aber auch trainiert werden, und zwar mit Daten aus der «echten Welt» kombiniert mit Simulation.
Solche Roboter gut gebrauchen könnte wohl auch die Firma FELFEL: Das 2014 gegründete Unternehmen hat sich inzwischen zu einem etablierten Anbieter für hochwertige Arbeitsplatz-Verpflegung entwickelt. Die intelligenten FELFEL-Kühlschränke berechnen aufgrund von Nachfrage und Verfalldatum, wann welche Menus nachbestellt werden müssen. In einem eigenen Logistik-Zentrum werden die Menüs kommissioniert und in der Nacht ausgeliefert. Das wäre möglicherweise ein Anwendungsfall für Roboter. Doch da die Kühlschränke von FELFEL oft auch an Orten stehen, die besondere Zutrittsvorschriften benötigen, bleibt der Liefervorgang vorderhand noch eine menschliche Domäne, wie FELFEL-COO Hanne Dinkel in ihrem Referat erklärte.
Umgang mit Komplexität lernen
Komplexität besser bewältigen und Optimierungsmöglichkeiten nutzen: Um zukunftsfähige Transport-, Logistik- und Wertschöpfungssysteme ging es in der anschliessenden Podiumsdiskussion mit Prof. Dr.-Ing. Herbert Ruile, Präsident des Vereins Netzwerk Logistik Schweiz, Alexander Hefele, CEO AMZ Racing, und Andrea Claudio Thöny, Leiter Immobilienentwicklung bei HRS Real Estate AG. Es ging also um verschiedenste Ausprägungen von Komplexität: Während es bei AMZ Racing darum geht, jedes Jahr mit einem komplett neuen Team einen Rennwagen von Grund auf zu entwickeln, geht es bei der Immobilienentwicklung – konkret gezeigt am Innovationspark Dübendorf – um starke Abhängigkeiten von unterschiedlichsten Stakeholdern. Man müsse da in verschiedenen Szenarien denken, so Andrea Claudio Thöny. Die Kunst bestehe darin, den Gegensatz von Stabilität und Veränderung zu managen. Herbert Ruile konnte dem nur beipflichten. «Das trifft auch auf die Supply Chain zu». Der Umgang mit Komplexität sei eine Frage des Mindsets, waren sich die Diskutierenden einig. Herbert Ruile empfiehlt, einfache Prozesse konsequent auszulagern. Die Erfahrung von Alexander Hefele besteht darin, viel Verantwortung direkt an das Team abzugeben. Und Andrea Claudio Thöny hält systemisches Denken für besonders wichtig. «Spezialisten lösen Probleme nicht, sondern lösen oft mehr Chaos aus.»

Technologie-getriebene Logistik
Den Schlusspunkt setzte Stefan Hohm, Chief Development Officer (CDO) und Mitglied des Vorstands von DACHSER SE. Er zeigte auf, wie Technologie die Logistikprozesse verändert hat und weiter verändern wird. Dachser tätigte 2024 Investitionen von gegen 500 Millionen Euro, davon ein grosser Teil auch in die IT. «KI ist überall, aber nicht im Deckungsbeitrag», liess auch Stefan Hohm durchblicken. Und trotz vieler Technologie bleibe die Logistik ein People Business. Anhand verschiedener Beispiele – z.B. Exoskelette für das leichtere Heben von Lasten oder der Einsatz von digitalen Zwillingen für eine optimale Ausnutzung von Lagerraum – zeigte Stefan Hohm den vielfältigen Technologie-Einsatz bei Dachser. Vieles davon wurde gemeinsam mit Partnern entwickelt. Das Potenzial der KI ist Dachser dabei zu erschliessen, denn: «Logistikfirmen, welche KI nicht adressieren, werden im Markt nicht überleben», so Stefan Hohm. Dennoch müssten auch die Risiken im Auge behalten werden: Datenschutz, ethische und rechtliche Fragen. Stefan Hohm warnte auch davor, sich zu stark in die Abhängigkeit von Technologie zu begeben.
Als Fazit – auch für die gesamte Tagung – blieb: Es braucht Klarheit, Mut und Kooperationen, um die Herausforderungen der Zukunft anzugehen, nicht nur in der Logistikbranche.