«Glaubwürdigkeit wirkt besser»: Die neue Kampagne der Schweizer Medien im Fokus
Der Verband Schweizer Medien (VSM) lanciert die Kampagne «Glaubwürdigkeit wirkt besser». Sie basiert auf zwei Studien von PwC und gfs-zürich und rückt die Bedeutung journalistischer Qualitätsumfelder für Werbetreibende und Konsumenten ins Zentrum.

Budgets wandern zu Meta, Google und TikTok, während Konsument:innen klassische Medien für glaubwürdiger halten. Genau hier setzt die VSM-Kampagne «Glaubwürdigkeit wirkt besser» an. Sie will zeigen, warum Qualität im Medienumfeld auch für die Werbewirtschaft entscheidend ist.
Die Ausgangslage: Werbegelder fliessen ab – Ein Weckruf für die Branche
Andrea Masüger, Präsident des VSM, schildert die drastische Entwicklung im Schweizer Werbemarkt: Die Werbeeinnahmen im Printbereich, die im Jahr 2000 noch bei 3 Milliarden Schweizer Franken lagen, sind auf etwa 650 Millionen Franken gesunken – weniger als ein Viertel des damaligen Wertes. Zwar haben sich Teile dieser Beträge ins Online-Segment verlagert, doch hier entsteht ein weiteres Problem: Mittlerweile fliessen bis zu 75% der Online-Werbebudgets aus der Schweiz ins Ausland, insbesondere an Tech-Giganten im Silicon Valley oder in China.

Diese Entwicklung bereitet dem VSM grosse Sorge. Die Motivation hinter der Kampagne ist klar: Der Verband möchte dem Trend entgegenwirken und einen gewissen Teil der Werbegelder in die Schweiz zurückholen. Masüger betont, dass ein starkes, inlandbasiertes Mediensystem mit ausgebildeten, professionellen Journalistinnen und Journalisten ein besseres Umfeld für die Werbewirtschaft bieten kann als obskure Plattformen oder Social Media Kanäle. Er ist überzeugt, dass Werbung in einem glaubwürdigen Umfeld effektiver und durchschlagender ist, was sowohl den Werbetreibenden als auch der Medienlandschaft und den demokratischen Strukturen der Schweiz zugutekommt.

Masüger erklärt, dass die Kampagne bewusst einen ökonomischen Fokus wählt, auch wenn die Rolle der Medien für die Demokratie unbestreitbar wichtig ist. In der aktuellen Situation, in der Marketing-Manager unter hohem Leistungsdruck stehen, sei die Botschaft vom wirtschaftlichen Mehrwert glaubwürdiger Werbeumfelder besonders wirkungsvoll.
Das Dilemma der Werbeauftraggeber: Performance vs. Markenstärke
Gustav Baldinger von PwC Schweiz beleuchtet das Kernproblem aus Sicht der Werbeauftraggeber (CMOs): Sie befinden sich in einem Dilemma zwischen kurzfristigen Performance-Zielen und dem langfristigen Aufbau ihrer Marke. Kurzfristige Performance-Ziele wie Conversion Rates und Klickraten lenken die Budgets aktuell stark in Richtung Social Media, da diese Plattformen scheinbar messbare Kennzahlen und Reportings bieten.
Gleichzeitig steigt jedoch die Bedeutung von «Brand Safety». 82% der befragten Unternehmen geben an, dass das Thema immer wichtiger wird, da sie ihre Werbung ausschliesslich in sicheren Umfeldern platzieren möchten. Baldinger merkt an, dass viele Marketingverantwortliche die Intransparenz der Werbe-Reportings von Social Media-Plattformen kritisieren und die Genauigkeit der Messdaten anzweifeln. Prognosen zufolge könnten bis 2028 über 170 Milliarden Dollar an Werbeausgaben durch Ad Fraud, wie Klickbetrug, verschwendet werden, was die tatsächliche Werbewirkung auf digitalen Plattformen in Frage stellt.

Baldinger betont, dass ein glaubwürdiges Werbeumfeld für 81% der Werbetreibenden zunehmend in den Vordergrund rückt, insbesondere wenn es um Image und Markenbekanntheit geht. Die PwC-Studie empfiehlt Schweizer Medienhäusern daher, sich zu bewegen und einfachere Buchungsplattformen (wie eine One-Stop-Lösung oder „One ID“) anzubieten, die eine bessere User Experience für CMOs schaffen. Zudem sollen sie die Werbetreibenden für die Kurz-, Mittel- und Langfristigkeit von Marketingbudgets sensibilisieren und den «Kompass für Werbeentscheide neu ausrichten». Auch die Erreichung jüngerer, digital affiner Zielgruppen durch attraktive Angebote in journalistischen Medien wird als Chance gesehen.
Die Stimme der Konsumenten: Vertrauen in Fakten
Dr. Andrea Umbricht von gfs-zürich präsentierte die Konsumentensicht, die die Ergebnisse der PwC-Studie untermauert. Die Bevölkerung der Deutschschweiz bringt klassischen Medien, zu denen Printmedien und Online-Nachrichtenportale gehören, deutlich mehr Vertrauen und Glaubwürdigkeit entgegen als Social Media. Auf einer Skala von 1 bis 5 bewerten Konsumenten Printmedien mit einem Vertrauensmittelwert von 3.6 und Online-Nachrichtenportale mit 3.3, während Social Media nur 2.1 erreicht. Ähnlich verhält es sich mit der Glaubwürdigkeit (Print: 3.8; Online-Nachrichtenportale: 3.4; Social Media: 2.1).

Die Fake News-Problematik ist den Konsumenten allgegenwärtig: 96% der Befragten geben an, in den letzten zwei Jahren häufiger mit Fake News konfrontiert gewesen zu sein, und 95% erwarten eine weitere Zunahme in der Zukunft. Eine überwältigende Mehrheit von 85% sieht Social Media als Hauptverbreitungsort von Fake News, während nur 2% diese Einschätzung für klassische Medien teilen. Als Konsequenzen der Zunahme von Fake News auf Social Media erwarten die Befragten unter anderem eine zunehmende gesellschaftliche Spaltung, eine Beeinflussung politischer Entscheidungen und eine Verunsicherung der Bevölkerung. Zwei Drittel der Bevölkerung wissen zudem, dass unabhängige Faktenchecks auf Plattformen wie Instagram, Facebook und X Anfang 2025 weitgehend eingestellt wurden.

Was die Werbewirkung betrifft, so empfinden zwei Drittel der Bevölkerung (65%) Werbung in klassischen Medien als glaubwürdiger als auf Social Media (3%). Auch die Kaufbereitschaft wird positiv beeinflusst: 70% geben an, ein Produkt eher zu kaufen, wenn die Werbung in einem faktengecheckten Umfeld erscheint. Werbung in klassischen Medien wird zudem als weniger störend empfunden (22%) im Vergleich zu Social Media (69%).

Ein experimenteller Test, bei dem Werbevideos für fiktive Produkte entweder in Social Media-Formaten (Instagram, TikTok) oder in journalistischen Online-Medien (NZZ, Tages-Anzeiger) gezeigt wurden, bestätigte diese Befunde: Werbung in klassischen Medien wurde signifikant stärker wahrgenommen (82% vs. 68%), besser erinnert und die beworbenen Marken häufiger korrekt benannt. Auch die Bewertung der Werbung war in klassischen Medien positiver, insbesondere hinsichtlich Professionalität (3.4 vs. 3.0) und Glaubwürdigkeit (3.2 vs. 2.8).
«Marken müssen Fake-News Umfelder meiden wie der Teufel das Weihwasser: Die aktuelle gfs-Studie wie auch mehrere internationale Studien zeigen klar, dass diese direkt negativ auf die Marke abfärben.» – Prof. Dr. Dominique von Matt, von Matt/second opinion
Die Kampagne «Glaubwürdigkeit wirkt besser»: Eine klare Botschaft
Ladina Heimgartner, CEO Ringier Medien Schweiz und Initiantin der Kampagne, betont, dass die Zahlen die bisherigen «Bauchgefühle» der Medienbranche untermauern: Medien haben ihre Werbeumfelder bisher unter Wert verkauft. Die Kampagne mit dem Claim «Glaubwürdigkeit wirkt besser» richtet sich ab dem 28. August gleichzeitig an Entscheidungsträger in der Werbewirtschaft und an die breite Bevölkerung. Die Werbemassnahmen umfassen eine Multichannel-Strategie mit Print- und Online-Inseraten, Plakaten, Radio- und TV-Spots.
Ein bewusstes Statement der Kampagne ist der Verzicht auf Investitionen in Social Media. Heimgartner erklärt, dass die Medien überzeugt sind, dass Marken vom Umfeld profitieren und ein seriöses, professionelles, glaubwürdiges und fake-news-freies Umfeld eine positive Wirkung auf die Marke selbst hat. Die Kampagne soll zeigen, dass sich Investitionen in Medien nicht nur für die Medien, sondern auch für die Wirtschaft selbst lohnen, da dies einen Mehrwert für Werbekunden darstellt und gleichzeitig Verantwortung für den Medienplatz Schweiz demonstriert.
Die Radio-Spots der Kampagne, wie sie in den Quellen präsentiert werden, führen das Scrollverhalten auf dem Handy und die Absurdität von Fake News auf Social Media ad absurdum. Beispiele hierfür sind Beiträge über kreative Lademethoden, die dazu führen, dass man glaubt, Handys in der Mikrowelle aufladen zu können. Oder Posts über hohle Erden und Reptiloide, die als Regierungschefs die Welt kontrollieren. Ein weiteres Beispiel ist der Irrglaube, Bastelkleber sei die perfekte Gesichtsmaske. Jeder dieser Spots endet mit der klaren Botschaft: «Der Algorithmus unterscheidet nicht zwischen Fake News und Fakten. Wir schon. Schweizer Medien.».
Heimgartner sieht in dieser Kampagne auch einen möglichen Blueprint für andere Länder, die mit ähnlichen Herausforderungen im globalen Werbemarkt konfrontiert sind.
Die kreative Handschrift hinter der Kampagne
Marco Meroni, Managing Director von June Corporate Communications (Jung von Matt Gruppe), die für die Umsetzung verantwortlich zeichnen, unterstreicht, dass die Kampagne mit dem Alleinstellungsmerkmal Glaubwürdigkeit arbeitet. «Das ist das zentrale Argument, gestützt durch die gfs-zürich- und PwC-Studien. Deshalb haben wir eine Multichannel-Kampagne auf allen relevanten Kanälen konzipiert», erklärt er.
Die Zielsetzung sei klar: ein Teil des Online-Werbevolumens soll zurück in journalistische Medien fliessen. «Dafür braucht es starke Argumente, und die Glaubwürdigkeit ist genau dieses Argument.»

Manning Director June Corporate Communications

Meroni beschreibt die Ausspielung als gestaffelten Rollout: Start mit Inseraten in den Printmedien, danach folgen Out-of-Home-Massnahmen, Radio- und TV-Spots, die sich bis in den Oktober hinein ziehen. Persönlich gefällt ihm die „Smartness“ der Headline-Kampagne, die stilistisch nah an der journalistischen Realität bleibe und sich zugleich auf wissenschaftliche Erkenntnisse stütze.
Fazit und Ausblick: Wie tauglich ist die Kampagne für die Zielerreichung?
Die Kampagne «Glaubwürdigkeit wirkt besser» ist auf einer soliden Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse aufgebaut. Sie adressiert direkt das Dilemma der CMOs zwischen kurzfristiger Performance und langfristigem Markenaufbau sowie das wachsende Bedürfnis der Konsumenten nach vertrauenswürdigen Informationen und Werbeumfeldern. Die explizite Fokussierung auf den wirtschaftlichen Nutzen für Werbetreibende, statt allein auf die Rolle der Medien für die Demokratie, ist eine strategische Entscheidung, die in der aktuellen Marktlage als zielführend erachtet wird.

Die Kampagne stützt sich auf überzeugende Zahlen: die höhere Kaufbereitschaft in faktengecheckten Umfeldern, die bessere Wahrnehmung und Erinnerung von Werbung in journalistischen Medien und deren deutlich höhere Glaubwürdigkeit im Vergleich zu Social Media. Die Spots, die die Absurdität von Fake News auf Social Media aufzeigen, sind darauf ausgelegt, zum Nachdenken anzuregen und die Aufmerksamkeit auf die Rolle seriöser Medien zu lenken.
Können aktuelle Ereignisse zur emotionalen Aufladung beitragen?
Die VSM-Kampagne ist breit angelegt, um die grundlegende Problematik von Fake News und Glaubwürdigkeit zu thematisieren. Obwohl sie nicht für tagesaktuelle Ereignisse modifiziert werden kann, bietet der generelle Rahmen des «Algorithmus unterscheidet nicht zwischen Fake News und Fakten. Wir schon.» eine hohe Relevanz für aktuelle Diskussionen, wie etwa die «Trump Diskussion» oder die Entscheidungen grosser Tech-Konzerne bezüglich Faktenchecks. Die Tatsache, dass 65% der Bevölkerung wissen, dass unabhängige Faktenchecks auf Social Media-Plattformen weitgehend eingestellt wurden, verleiht der Kampagnenbotschaft zusätzliche Dringlichkeit und Relevanz.

Diese Erkenntnisse, gekoppelt mit der Betonung der Brand Safety und der Forderung nach mehr Transparenz in den Werbereportings, bieten eine starke Argumentationsgrundlage. Es bleibt abzuwarten, wie schnell die Werbewirtschaft ihren «Kompass neu ausrichtet» und ob die Medienbranche es schafft, die gewünschten technischen Vereinfachungen für Werbebuchungen (z.B. durch einen One-Stop-Shop) umzusetzen, um die abgeflossenen Budgets nachhaltig zurückzugewinnen. Die Kampagne ist ein mutiger Schritt, um die Wertigkeit von Qualität und Glaubwürdigkeit in einer zunehmend fragmentierten und oft desinformierten Medienlandschaft zu repositionieren.