«Wir unterhalten mit Leichtigkeit, nicht mit Lärm» – Interview mit Marketing-Chefin Victoria Rispy zum Relaunch von 20 Minuten

Victoria Rispy spricht im Interview über die digitale Transformation bei 20 Minuten, das neue Selbstverständnis als Medienmarke und warum echte Magie manchmal hilfreich gewesen wäre – Klartext und Visionen einer Marketingchefin, die vieles neu denkt und noch mehr bewegen will.

Victoria Rispy, Head of Marketing 20 Minuten (Foto: 20min/Marco Zangger).

m&k: Victoria Rispy, Sie sind erst im Januar 2025 bei 20 Minuten gestartet, nur 9 Monate später tritt 20 Minuten mit neuem visuellen Auftritt, überarbeitetem Digitalprodukt und einer neuen Werbekampagne auf. Können Sie zaubern?

Victoria Rispy: Schon bei meinem Einstieg bei 20 Minuten war klar, dass meinem Marketing-Team und mir eine intensive, aber extrem spannende Zeit bevorsteht. Der Schritt in die digitale Zukunft hat sich bereits abgezeichnet, auch wenn noch nicht klar war, wann die Printzeitung von 20 Minuten eingestellt werden wird. Wir haben gemeinsam mit der internationalen Agentur Prophet begonnen, intensiv an der Positionierung von 20 Minuten zu arbeiten und auf dieser Basis folgten dann die nächsten Schritte: neuer visueller Auftritt und neue Kampagne. Parallel hat das Produkt-Team zusammen mit der Redaktion mit Hochdruck an der neuen App und Webauftritt von 20 Minuten und 20 Minutes gearbeitet, während der Werbemarkt an neuen Formaten und Umfeldern für den Werbemarkt getüftelt hat. Da mussten alle Zahnräder perfekt ineinandergreifen, um so einen umfassenden Relaunch in wenigen Monaten zu schaffen. Zaubern hätte manchmal tatsächlich geholfen!

Sie sprechen die neue Positionierung an. Wie positioniert sich 20 Minuten neu? Was verändert sich?

Wir positionieren uns als eine eigene Kategorie in der Medienlandschaft und vereinen die besten Aspekte von Traditionsmedien, populären Medien und Social Media. Damit bieten wir den Leserinnen und Lesern einen perfekten Content-Mix aus News, Unterhaltung und Inspiration. Wir unterhalten mit Leichtigkeit, nicht mit Lärm. Unser Journalismus bleibt weiterhin kompakt, einfach verständlich und neutral, sodass sich die Menschen eine eigene Meinung bilden können. Die neue App und das Layout bieten unserer Publizistik, die wir laufend weiterentwickelt und geschärft haben, nun die passende Bühne.

Was steckt hinter dem neuen Auftritt? Wieso kommt der gerade jetzt?

Wir glauben, dass das Ende unserer Printausgabe der richtige Zeitpunkt ist, um der digitalen Ausgabe von 20 Minuten ein Upgrade zu verleihen. Mit dem Print fällt ein Stück Tradition, aber auch Sichtbarkeit weg. Wir haben eine hervorragende Führungsposition im digitalen Nutzermarkt und konnten uns in den vergangenen Jahren betreffend Traffic weiter von den Mitbewerbern abheben. Dennoch möchten wir unseren Nutzerinnen und Nutzern in unserer rein digitalen Zukunft eine noch einfacher zu benutzende App, neue Möglichkeiten und nicht zuletzt ein aufgeräumtes, zeitgemässes und attraktives Design bieten. Auch unser neues Logo ist ein Schritt in die digitale Zukunft, ohne das Erbe zu leugnen.

Was war speziell an Design Refresh?

Bei der Ausarbeitung des Designsystems haben wir auf unsere einzigartige Brand Heritage und gleichzeitig auch auf höchstmögliche Flexibilität ein hohes Augenmerk gelegt. Wir stehen am Anfang der neuen digitalen Ära von 20 Minuten und müssen diese neue Zukunft auch im Design antizipieren. Wichtig war dabei, dass unser Design vom kleinsten Icon in der App bis zum XXL-Megaposter in der Marketing-Kommunikation eine hohe Wiedererkennbarkeit hat. Dazu haben wir unser Signature Shape «The 20 Tile» entwickelt – ein Schlüsselelement, das sich vom Logo ableitet und sich auf unterschiedlichsten Ebenen einsetzen lässt: als visuelles Raster, als Container für Inhalte oder als markanter grafischer Akzent. Dadurch entsteht eine konsistente, aber zugleich dynamische Designsprache, die 20 Minuten klar identifizierbar macht und genügend Spielraum für künftige Weiterentwicklungen bietet.

Wie sind Sie dabei vorgegangen?

Es war für uns zentral, zuerst herauszufinden, wie weit wir mit Modernisierung überhaupt gehen möchten. Wir haben sehr schnell gespürt, dass wir als eine der bekanntesten Marken im Land mit so viel Brand Equity wie möglich in die neue Ära starten wollen. Deshalb sind wir sehr behutsam vorgegangen und haben zunächst die zentralen Core Brand Assets herausgearbeitet.

Ein weiterer Game Changer war die breite Handover-Phase: Gemeinsam mit dem Designteam der Agentur Prophet aus London und unserem eigenen Design- und Product-Team in Zürich haben wir die Assets „made to measure“ entwickelt – also so angepasst, dass sie exakt zu den Bedürfnissen von 20 Minuten passen. Auf diese Weise konnten wir sicherstellen, dass der neue Auftritt nicht nur visuell stark ist, sondern auch in der täglichen Umsetzung reibungslos funktioniert.

Wieso haben Sie das alles aufs Mal umgesetzt?

Wir wollten unsere Nutzerinnen und Nutzer sowie die Werbekunden mit einem “Big Bang” überraschen, bei dem neues Produkt, Logo, Angebote für den Werbemarkt und eine neue Werbekampagne gleichzeitig auf den Markt kommen und für Aufsehen sorgen. Eine neue Ära beginnt nicht alle Tage, die wollten wir auch entsprechend aufmerksamkeitsstark einläuten.

Sie haben für die Realisierung der Kampagne mit Star-Werbern Thomas Wildberger und Thomas Schöb zusammengearbeitet. Wie kam es dazu?

ADC-Präsident Thomas Wildberger und 20-Minuten-CEO Bernhard Brechbühl haben schon in der Vergangenheit zusammengearbeitet und waren darum über die Jahre sporadisch im Austausch. Thomas Wildberger und Thomas Schöb haben die Kampagnen-Idee spontan gepitcht, die Zeit war damals aber noch nicht reif. Mit dem Entscheid, in Zukunft auf Papier zu verzichten und den Schritt in eine rein digitale Ära zu wagen, hat 20 Minuten eine Kampagne gesucht, die frisch, überraschend und anders ist. Da kamen die beiden ins Spiel. Die Agentur Prophet, unter deren Dach die beiden arbeiten, war die perfekte Partnerin für die Entwicklung unserer neuen Positionierung, des neuen Markenauftritts und der Kampagne.

Die Kampagne fällt auf. Ist der neue Claim absichtlich auch etwas provokativ? Was steckt dahinter?

Eine gute Kampagne, die Aufmerksamkeit generiert, muss mutig sein und ein Stück weit auch anecken. Klassischerweise sprechen Werbekampagnen über das Produkt oder die Firma selbst und preisen deren Mehrwert an. Uns überzeugte der ganz andere Ansatz: Wir haben ganz bewusst unsere Nutzerinnen und Nutzer ins Zentrum gestellt und sie zu den Heroes des Alltags gemacht. Was passiert mit ihnen, wenn sie lesen? Sie werden aufmerksam und wirken durch das erworbene Wissen attraktiver oder eben sexy. Die Kampagne ist im Prinzip Gattungswerbung für das Lesen allgemein.

Ist der Claim: «Lesen macht sexy» nicht etwas zu eng gefasst? 20 Minuten beinhaltet ja nicht nur geschriebene Artikel, sondern auch Videos, Spiele etc.?

Nicht nur die geschriebenen Artikel sind beliebt bei unserer Leserschaft. Auch zeitgemässes Videostorytelling bedient sich stark an einem Mix aus Text, Grafik und Bewegtbild – auch in bewegter Form wird noch sehr viel gelesen. Das wollten wir hier ins Zentrum rücken.

Für den Spot haben Sie den bekannten Filmregisseur Simon Verhoeven engagiert. Die Fotos hat Anoush Abrar, ein Westschweizer Starfotograf, aufgenommen. Wie verlief diese Zusammenarbeit?

Die Zusammenarbeit war extrem inspirierend! Auch wenn die Spots ganz kurz sind, die Bilder, Bildsprache, Models, Settings sind alle sorgfältig ausgewählt. Es zählt jedes Detail.  Wir wollten die Verwandlung eines Menschen, die beim Lesen geschieht, in perfekter Ästhetik einfangen. Anoush Abrar und Simon Verhoeven haben das sofort verstanden und perfekt umgesetzt.

Wie muss man sich die Dreharbeiten/Fotoshootings vorstellen? Wo wurden diese aufgenommen? Was hat sie besonders beeindruckt?

Wir haben in Zürich im Kreis 5 gedreht – zufälligerweise genau in dem Quartier, in dem ich selbst wohne. Besonders schön war, dass ich dabei ganz neue Seiten meiner Nachbarschaft entdeckt habe. Das Team hat mich enorm beeindruckt: Alle sind die sprichwörtliche Extrameile gegangen, haben unzählige Varianten ausprobiert und so unglaublich viel starkes Material produziert. Diese Professionalität verbunden mit der spürbaren Freude am Set war etwas Besonderes. Und genau in dieser Atmosphäre konnten wir live erleben, wie sich beim Lesen etwas verändert – wie Menschen plötzlich offener, präsenter wirken und eine besondere Ausstrahlung entwickeln. Diesen Moment so authentisch einzufangen, war für mich ein echtes Highlight.

Welche weiteren Neuigkeiten aus dem Marketing dürfen wir in naher Zukunft von 20 Minuten erwarten?

Mit dem Brand Refresh und der neuen Image-Kampagne haben wir eine starke Grundlage gelegt. Jetzt können wir tiefer in die taktische Marketing-Kommunikation eintauchen. Dabei wollen wir weiterhin mutige Wege gehen, den Dialog mit unserer Community weiter vertiefen und unsere Werbekunden mit überraschenden Ideen begeistern. Für unsere Nutzerinnen und Nutzer wollen wir Momente schaffen, die unsere Marke erlebbar machen und 20 Minuten noch stärker in den Herzen der Schweizerinnen und Schweizer verankert.

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