Prozessmanagement: Enabler, nicht Selbstzweck
Der Baumaterialzulieferer Swisspor hat ein professionelles, softwaregestütztes Prozessmanagement eingeführt. Wie Patrice Urban, Leiter der Geschäftsprozessentwicklung, im Gespräch mitteilte, war der Weg dahin mit einigen Herausforderungen «gespickt».

Wer heute Gebäudehüllen energieeffizient dämmen und abdichten will, kommt um die Produkte und Lösungen von Swisspor kaum herum. Die Swisspor Gruppe mit sieben Standorten und rund 550 Mitarbeitenden allein in der Schweiz bezeichnet sich als führende Schweizer Entwicklerin, Herstellerin und Anbieterin von Produkten und Systemen rund um die energieeffiziente Gebäudehülle.
Verständnis für Prozessmanagement schaffen
Ein gut ausgebautes Prozessmanagement ist für die industrielle Produktion unerlässlich, darin sind sich alle einig. Als Patrice Urban 2022 neu ins Unternehmen kam, musste er jedoch feststellen: Die Prozesse waren zwar definiert, aber unklar, schlecht dokumentiert oder veraltet. «Oft waren sie in irgendwelchen Visio-Bildern festgehalten, die, als sie erstellt wurden, schon zu alt waren», erinnert er sich heute. Auch Wissen über Prozessmanagement habe weitgehend gefehlt. Deshalb lag es auf der Hand, auf Basis von Operational Excellence die Abläufe zu optimieren und Verbesserungspotenzial zu erschliessen. Insbesondere in der Zeit nach Corona erkannte das Unternehmen, dass es «fit für die Zukunft werden muss – und dazu muss man die Prozesse im Griff haben».
Anfangs war die Stimmung im Unternehmen skeptisch, so Patrice Urban. Viele hielten Prozessmanagement für «viel Aufwand ohne Ertrag». Er machte es sich daher zur Aufgabe, Verständnis und Akzeptanz zu schaffen – vor allem durch praktische Demonstrationen statt theoretischer Erklärungen.
Strategischer Nutzen der Lösung
Ein Schlüsselmoment war die Entscheidung für ein geeignetes Tool. Nach dem Vergleich verschiedener Systeme entschied sich Swisspor für ADONIS der BOC Group. Patrice Urban betont: «ADONIS ist eine der Benchmark-Applikationen, ganz klar.» Für ihn war entscheidend, dass das Tool die Prozesse «einfach erlebbar» macht – über eine intuitive, homepagegleiche Oberfläche, in der Mitarbeitende ohne Spezialwissen navigieren können. Der Fokus lag darauf, Prozesse sichtbar, zugänglich und verständlich zu machen, um Verantwortung zu schaffen.

Ein zentrales Ergebnis dieser Arbeit war, bisher unklare Verantwortlichkeiten sichtbar zu machen. So zeigte sich etwa im Produktmanagement, dass es «keine Person gab, die wirklich für die Prozesskette verantwortlich war». Ähnlich sah es im Bereich Stammdaten aus. Es gab zwar einen Manager, aber «der lief immer von Pontius zu Pilatus». Erst durch die Visualisierung in ADONIS wurden Verantwortlichkeiten geklärt und Rollen definiert, wodurch die Organisation insgesamt transparenter wurde. Laut Patrice Urban ist Prozessmanagement kein Selbstzweck, sondern ein Mittel, um Klarheit, Effizienz und eine bessere Zusammenarbeit zu schaffen. Erst dadurch könne eine lebendige Prozesskultur entstehen – und das sei ohne das richtige Tool unmöglich.
Die Prozessmanagement-Lösung konnte darüber hinaus auch ihren strategischen Nutzen für grosse Projekte ausspielen. So geht es bei Swisspor beispielsweise um ein gruppenweites ERP-Vorhaben. Hier dient ADONIS als Bindeglied zwischen Fach- und IT-Welt. Prozesse werden bis auf Anforderungsebene heruntergebrochen, wodurch ein «Lastenheft direkt aus dem System» entsteht, so Patrice Urban. Durch diese präzise Dokumentation werden Fehlentwicklungen und teure Nachbesserungen vermieden. Patrice Urban bezeichnet das Tool als «Gamechanger», da es Stammdaten zentral verwaltet und Änderungen automatisch in alle Prozessdarstellungen überträgt – ein grosser Vorteil gegenüber Visio oder Excel.
Erfahrungen teilen
Welche Lehren lassen sich aus der Einführung von ADONIS ziehen und welche Erfahrungen kann Patrice Urban anderen Unternehmen mit auf den Weg geben? In diesem Zusammenhang warnt er vor «All-in-one-Lösungen», die Prozessmanagement nur als Nebenfunktion anbieten. «Das sind alles Bastellösungen, die dem nicht gerecht werden.» Gute Prozessqualität sei ein erheblicher betriebswirtschaftlicher Hebel: «Die Prozesse sind teuer – und dementsprechend sind sie auch wertvoll.
Zur Einführung eines Prozessmanagement-Systems betont er einen unaufgeregten, evolutionären Ansatz: kein Big Bang, sondern ein schrittweises Vorgehen. Er beschreibt es so: «Mühsam ernährt sich das Eichhörnchen.» Veränderungen wurden nicht von oben verordnet, sondern von innen heraus entwickelt. Dabei blieb er jedoch konsequent: «In der Sache sind wir hart – wir verwenden nur dieses Tool.»
Der Umgang mit Widerständen erfolgte pragmatisch: Er wählte Problemprozesse mit hohem Leidensdruck aus, um den Nutzen schnell zu zeigen. In Workshops wurden reale Abläufe erfasst und gemeinsam im System modelliert. «Wir haben nie über ADONIS oder BPM geredet, sondern sind einfach die Probleme angegangen.» Die Beteiligten sahen live, wie ihre Prozesse entstanden – ganz ohne theoretische Schulungen. Diese On-the-Fly-Methode erzeugte Begeisterung und schnelles Verständnis.

Patrice Urban beschreibt zudem die Wirkung der Visualisierung: Wenn Fachleute gemeinsam auf einen abgebildeten Prozess schauen, erkennen sie häufig erst die Komplexität ihrer eigenen Abläufe. «Da sagen alle: ‹Jetzt sind wir wahnsinnig – das ist so kompliziert, das müssen wir besser machen.›» Diese Erkenntnis initiiert Verbesserungen ganz natürlich, ohne Druck oder formelle KVP-Prozesse.
Und wie geht es weiter?
Patrice Urban verweist für die langfristige Wirksamkeit auf die natürliche Verknüpfung mit Problemlösungen und Projekten. Optimierungen entstehen aus den täglichen Herausforderungen, wie beispielsweise Reklamationen oder Controlling-Hinweisen. So bleibt das Prozessmanagement relevant, ohne zusätzlichen administrativen Ballast.
Kennzahlen, um den Erfolg quantitativ zu messen, lehnt er weitgehend ab. «Ich kann nicht sagen: ‹Wir haben jetzt 20 % Effizienzsteigerung.›» Entscheidend sei nicht das Tool selbst, sondern die Tatsache, dass man kontinuierlich damit arbeite. «Weil das einfach ist, machen wir das – sonst würden wir es nicht machen.» Prozessmanagement ist ein Enabler, aber kein Selbstzweck.
Abschliessend erläutert er seine betriebswirtschaftliche Sichtweise: Die Investition in Prozessmanagement zahlt sich immer aus. Selbst bei kleinen Unternehmen mit hohen Personalkosten sei die Rendite offensichtlich: «Wer glaubt, dass eine Investition in Prozessoptimierung zu viel ist, hat nicht verstanden, dass sich die ganze Firma nur durch Dinge bewegt, die Menschen machen.» Prozesse sind der grösste Hebel zur Effizienzsteigerung, da alle Handlungen im Unternehmen durch Prozesse abgewickelt werden – ohne Ausnahme.
Weitere Informationen: BOC Group und Swisspor
Dieser Beitrag erschien ursprünglich auf m-q.ch - https://www.m-q.ch/de/prozessmanagement-enabler-nicht-selbstzweck/
