übrigens… Kreativität ist keine Garantie für Klarheit

In unserer Kolumne «Übrigens…» sinnieren abwechselnd Laura Colledani und Klaus Ammon von Management Tools über Themen unserer Zeit. Diesmal geht es um die Kampagne von Denner mit dem gestohlenen Lidl-Herz.

Denner hat in seiner jüngsten Kampagne in «20 Minuten» das Herz gestohlen (m&k berichtete) – symbolisch und wörtlich zugleich. Denner buchte die Titelseite – ganz in Denner-Rot – und zeigt ein Bild eines inszenierten Überwachungsvideos, wie das rote Herz aus dem Lidl-Logo entwendet und zu Denner gebracht wird. «Das Schweizer Herz ist jetzt wieder da, wo es hingehört», lautet die Botschaft. Eine clevere Idee, die für Schlagzeilen sorgte und die Kreativszene begeisterte. Doch wie kommt sie tatsächlich bei den Menschen an?

Mithilfe des Tools «Advertising Test» auf der Marktforschungsplattform deeptrue.com von management tools haben wir die Wirkung der Kampagne bei zwei Gruppen untersucht: Bei Gen Z und bei Personen über 30. Die Ergebnisse zeigen ein interessantes Spannungsfeld zwischen Aufmerksamkeit und Verständnis.

Bei Gen Z kam die Geschichte zwar an – das Herz, der Diebstahl, die Schweiz – aber ohne die prominente rote Titelseite vom 20 Minuten bleibt unklar, wer hier «eigentlich» wirbt – der Absender wird oftmals als Lidl verstanden. Andere fanden die Idee „lustig, aber sinnlos“. Nichtsdestotrotz gefällt der Gen Z die Kampagne häufiger als der Zielgruppe Ü30 und die Einzigartigkeit wird häufiger wahrgenommen:

Likeability der Denner-Kampagne nach Zielgruppe (Quelle: Tool «Advertising Test», deeptrue.com von management tools)

 

Uniqueness der Denner-Kampagne nach Zielgruppe (Quelle: Tool «Advertising Test», deeptrue.com von management tools)

 

Auch bei der älteren Zielgruppe zeigte sich ein gemischtes Bild. Die Handlung wurde häufiger als bei der Gen Z korrekt erkannt («Das Herz wurde gestohlen und zu Denner gebracht»), dennoch blieb der Wow-Effekt eher aus. Manche fanden die Werbung sympathisch, andere empfanden sie als übertrieben oder irrelevant. Positiv war, dass viele das Motiv «Schweizer Herz» grundsätzlich mochten – jedoch ohne eine klare Verbindung zur Marke Denner herzustellen.

Aufmerksamkeit – aber keine Zuordnung

Zusammengefasst hat die Kampagne also geschafft, was jede Marke will: Aufmerksamkeit. Aber sie hat das nicht erreicht, was Marken brauchen: Zuordnung. Wenn Menschen nicht genau verstehen, von wem die Botschaft stammt, wird aus kreativer Provokation schnell einmal kommunikative Selbstentkopplung.

Das heisst nicht, dass die Idee falsch war. Im Gegenteil: Der spielerische Zugriff auf ein starkes Symbol wie das Herz hat grosses Potenzial. Doch er braucht mehr Kontext und weniger Inszenierung. Marken dürfen und sollen durchaus provozieren – aber sie sollten dabei nicht sich selbst aus dem Blick verlieren.

Inhalte müssen her

Vielleicht liegt genau darin die Chance für Denner: Das Herz nicht nur zu klauen, sondern es zusätzlich mit Inhalt zu füllen. Etwa durch echte Geschichten über Schweizer Produzenten, Mitarbeitende, Herkunft – also das, was dieses Herz eigentlich schlagen lässt.

Übrigens … manchmal reicht es nicht, ein Herz nur zu besitzen – man muss auch wissen, wofür es schlägt.


 

Laura Colledani und Klaus Ammon verfügen gemeinsam über mehr als 40 Jahre Erfahrung in Consumer Research und Marketingforschung. Über die Jahre hat sich dabei ein feines Gespür entwickelt für das, was Menschen bewegt – auch jenseits der Zahlen. Beide Autoren plädieren für eine Kommunikationskultur, die zuhört, bevor sie sendet. Mit dem neuen Ansatz von Management Tools des Consumer Listening möchten sie Marketingverantwortliche dabei unterstützen, Konsumenten nicht nur in traditioneller Weise zu befragen, sondern mit diesen in einen echten Beziehungsraum einzutreten.

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