Hannes managt: Klimaneutralität

Heute ist wieder so ein «ST», ein sogenanntes Special-Themen-Meeting, der Geschäftsleitung im Unternehmen angesagt. Als Mitglied dieses Gremiums ist Hannes gesetzter Teilnehmer …

© Johannes Lott
© Johannes Lott

Diese ST-Meetings sind neu. Da die ordentlichen Meetings am Montagmorgen seit einiger Zeit nicht auszureichen schienen, hat man dieses Format zusätzlich eingeführt. Weil einfach zu viel geredet wird oder auch Wortmeldung sich nicht mehr nach Wichtigkeit, sondern nach «es ist wohl alles gesagt, aber noch nicht von jedem» richten, werden strategisch Themen ausgelagert. Als Themen-Outsourcing wurde das betitelt, und so eine hübsche Etikettierung hat den Vorteil, dass man das ganze Konstrukt intern und extern noch besser vermarkten kann.

Die Klimaneutralität gehört dazu

Denn welche Geschäftsleitung beruft eigens eine Sitzung beispielsweise zum Thema Fachkräftemangel ein? Da springt die Presse drauf. Beim heutigen ST-Meeting geht es um Klimaneutralität.

Nachdem sich alle Sitzungsteilnehmer installiert haben (früher hat man sich hingesetzt, heute sucht man Stromschienen), geht’s los. Das Ziel ist klar: Man will im Unternehmen klimaneutral werden. Warum man das will, fragt Hannes. «Muss man heute, ist gut fürs Klima», heisst es, während insgeheim gedacht wird: «Das ist gut fürs Image!»

Genau das hat Hannes längst begriffen, in der Firmenpolitik steckt schliesslich das Wort Politik und da ist es wohl üblich, mal den einen oder anderen Kniff anzuwenden, sodass es zumindest nach aussen gut aussieht. So gehört der erste Part dem IT-Verantwortlichen. Er präsentiert die Software, mit der die Firmen-CO2-Emission berechnet wird. Das System macht auf modisch roten Balken sichtbar, was heutzutage alles die Treibhaus-Bilanz trübt. Man ist etwas ratlos. Denn auf der rechten Seite lässt der ITler blaue Balken in Powerpoint-Animation einfliegen – und die sollen die geplanten Gegenmassnahmen des Unternehmens in den kommenden fünf Jahren darstellen.

Etwas resigniert

«Das reicht ja nie und nimmer», lautet das einhellige Feedback der Teilnehmenden. «Muss es auch nicht», unterstreicht der Chef. Denn Kompensation ist das Stichwort der Zeit. Der Finanzchef soll nun gefälligst seine Kasse öffnen und abklären, wie viel Budget man zum Beispiel der Weiterbildung entziehen kann, um Zertifikate zur Kompensation zu lösen. Die HR-Chefin meint dann, dass es zweifelsfrei eine Marketing-Massnahme ist und man das Budget dort abschöpfen sollte.

So ist man wieder mal da, wo man immer ist: beim Budget. Man will «haben», aber niemand will «zahlen». Der Kompromiss: Man nimmt aus jeder Abteilung ein wenig und deckt sich mit Zertifikaten ein. Für Flugkilometer, für Autokilometer, für Treibstoff. Und für Fast Food kann man das sogar direkt beim Lieferanten der Burger bestellen. Der macht beides: verkauft Rindfleisch und Zertifikat über die gleiche Theke. Das ist vorbildlich praktisch, zumal er einen Mengenrabatt und Sonderabschlag für eine Bestellung für die nächsten drei Jahre gibt.

Das einzige Manko: Es reicht immer noch nicht. Jetzt beginnen sich die Diskussionen im Kreis zu drehen. Von «dann müssen wir noch im Ausland Zertifikate kaufen» bis zum unmöglichen «vielleicht müssen wir halt trotzdem schauen, wo wir weniger CO2 produzieren».

Die Idee

Da plötzlich kommt wie aus dem Nichts die Idee vom Leiter Einkauf. «Wir kaufen Wald im angrenzenden Ausland!» Er habe gesehen, dass es dort aus einer Erbschaft einer Adelsfamilie ganz günstig eine grössere Menge an Quadratmetern gibt. Diese Fläche neutralisiert CO2 und das gilt gemäss den neuen Green-Normen als Kompensation.

Die Begeisterung ist gross. Denn dann, wenn es um das Budget geht, beteiligen sich auch wirklich alle. Das Thema ist auch für die Ausbildungsabteilung die Erlösung, endlich das Baum-Coaching anbieten zu können. Man hat jetzt einen eigenen Wald, kann da Bäume umarmen, als ob es die eigenen Kollegen wären …

Autor

© Daniela Bologna
© Daniela Bologna

Stefan Häseli ist Kommunikationstrainer, Keynote Speaker, Moderator und Autor mehrerer Bücher. Er betreibt ein Trainingsunternehmen in der Ostschweiz.

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