„Gute Umgangsformen haben heute einen hohen Stellenwert“

Knigge war gestern? Weit gefehlt. In der heutigen Gesellschaft und vor allem im Job haben angemessene Umgangsformen wieder einen hohen Stellenwert. „Gute Umgangsformen sind ein Zeichen von Wertschätzung“, sagt die Trainerin Susanne Beckmann. Dabei gehe es nicht um verstaubte Regeln, sondern um Empfehlungen für angemessenes Auftreten und die Wirkung auf andere Menschen. Ein Interview.

Susanne Beckmann: „Wichtig ist mit wertschätzendem Verhalten authentisch zu sein, statt aufgesetzt zu wirken.“

„Heute ist der Name Knigge ein Synonym für alles, was im Zusammenhang mit Umgangsformen, Benehmen und Stil steht. – Und das hat heute wieder einen hohen Stellenwert, besonders im Geschäftsleben erlangt, weil das Bedürfnis und die Notwendigkeit unserer Werte zu einem positiven Miteinander von sehr vielen Menschen erkannt und gewünscht werden.“

Frau Beckmann, Knigge ist lange tot. Warum sprechen wir heute noch immer von ihm?

Susanne Beckmann: Das, was Adolph Freiherr Knigge vor weit über 230 Jahren verfasst hat, war kein Regelwerk dafür, wie man sein Weinglas richtig hält oder wie man den Fisch auf seinem Teller filetiert. Sein Ziel war es, Menschen aus unterschiedlichen Ständen und verschiedener Herkunft zu einem respektvollen Miteinander zu verhelfen. Heute ist der Name Knigge ein Synonym für alles, was im Zusammenhang mit Umgangsformen, Benehmen und Stil steht. – Und das hat heute wieder einen hohen Stellenwert, besonders im Geschäftsleben erlangt, weil das Bedürfnis und die Notwendigkeit unserer Werte zu einem positiven Miteinander von sehr vielen Menschen erkannt und gewünscht werden.

Wie sehen denn gute Umgangsformen aus Ihrer Sicht aus?

Ich möchte das anhand eines kleinen Beispiels verdeutlichen: Heute sieht man oft Mitarbeiter während eines Meetings, die sich über längere Zeit mit Ihrem Handy beschäftigen. Zum einen sehe ich das als respektloses Verhalten gegenüber der Person, die das Meeting leitet und zum anderen wird die Besprechung wegen mangelnder Konzentration dadurch unnötig in die Länge gezogen. Dieses Beispiel lässt sich auf viele andere Bereiche übertragen. Das beginnt bei einer angemessenen Kleidung und Optik, geht über die Aufmerksamkeit und Wertschätzung bis hin zu angemessenen Tischsitten und Verhaltensweisen bei Geschäftsessen.

Wie differenzieren Sie den Umgang mit unterschiedlichen Menschen und Berufsgruppen?

Im Grunde nicht, denn ich finde es selbstverständlich, allen Menschen Respekt entgegen zu bringen. Das gilt für den Reinigungsservice oder den Mitarbeiter in der Produktion genauso wie für den Vorstandvorsitzenden. Alle Menschen sind mit ihren Fähigkeiten und mit ihrer Persönlichkeit wichtig in den Unternehmen und selbstverständlich in unserer Gesellschaft. Deshalb sollte man sich inhaltlich, sprachlich und optisch unterschiedlichen Berufsgruppen, Situationen und Anlässen anpassen. Dafür kann man innerhalb bestimmter Grenzen und Regeln seinen eigenen Stil entwickeln. Wichtig ist dabei mit wertschätzendem Verhalten authentisch zu sein, statt aufgesetzt zu wirken. Ich sehe unsere gesellschaftlichen Regeln als so etwas wie Leitplanken, in denen jeder seinen Weg gehen kann.

Verändert sich die „Spannweite“ dieser Leitplanken?

Auf jeden Fall gibt es immer wieder Veränderungen. Wir haben in der Vergangenheit Zeiten erlebt, in denen man versucht hat, diese Leitplanken völlig zu entfernen. Inzwischen geht die Entwicklung wieder in die andere Richtung: Gute Umgangsformen haben heute wieder einen hohen Stellenwert, auch in der Wirtschaft.

Woher kommt diese Veränderung und was bedeutet das für die Unternehmen?

Wir leben in einer Zeit, in der Produkte und Dienstleistungen oft austauschbar sind. Den einzigen Unterschied machen der Mensch und seine Wirkung auf den Geschäftspartner oder Kunden. Wer hier mit Aufmerksamkeit, Stil und Wertschätzung überzeugen kann, hat Erfolg. Außerdem wird durch ein respektvolles Miteinander innerhalb des Unternehmens eine motivierende Unternehmenskultur gelebt, die dann auch ein positives Image nach außen erzielt. Aus diesen Gründen legen Firmenlenker Wert auf ein angemessenes Verhalten ihrer Mitarbeiter – von den Lernenden bis hin zu den Führungskräften. Viele Chefs gehen inzwischen wieder mit Bewerbern Essen, um deren Umgangsformen zu erleben. Das zeigt, wie notwendig ein sicheres Auftreten in diesem Bereich ist, denn es kann bei der Jobvergabe bei gleicher Qualifikation entscheidend sein.

Wo werden die häufigsten Fehler gemacht?

Naja, ich nenne es nicht unbedingt Fehler, denn es geht darum, ein Fingerspitzengefühl für bestimmte Situationen und Anlässe zu entwickeln. Wenn man die wichtigsten Regeln der modernen Umgangsformen kennt, kann man sich bewusst dafür oder dagegen entscheiden und muss dann allerdings auch eventuelle Konsequenzen daraus tragen. Sicherlich gibt es bei der Kleidung einen gewissen Trend zur Lässigkeit, der Stil und Etikette hier und da widerspricht. Auch die Tischmanieren entsprechen nicht immer den Erwartungen. In der Kommunikation ist Aufmerksamkeit, also das klassische Zuhören, häufig nicht gegeben. Es sind oft nur Kleinigkeiten, die das Gegenüber stören, aber eben entscheidend für Sympathie oder Ablehnung sind.

Kann man gute Umgangsformen lernen?

Gutes Benehmen oder zumindest das Gespür für angemessene Umgangsformen sind auf jeden Fall eine Frage des Elternhauses. Wo dies in der Familie oder auch in der Schule nicht oder nicht mehr stattfindet, braucht es Seminare und Trainings in denen die Menschen erfahren, wie man souverän und respektvoll in den jeweiligen Situationen miteinander umgeht. Das Feedback, das ich bei meinen Veranstaltungen bekomme, zeigt mir, dass das Thema viele Menschen bewegt und dass es viel Verunsicherung gibt. Diese Verunsicherungen möchte ich in sicheres und sympathisches Verhalten wandeln. Was ich vermitteln möchte: Es geht nicht darum, einzelne Regeln oder Verhaltensmuster auswendig zu lernen, sondern ein Gespür dafür zu bekommen, welches Verhalten in der jeweiligen Situation passend ist. Guter Stil hat weniger mit Regeln zu tun, als mit Fingerspitzengefühl für andere Menschen.

Susanne Beckmann ist Business-Knigge-Trainerin und gibt in Unternehmen über alle Hierarchieebenen hinweg Seminare über moderne Umgangsformen im Geschäftsleben. Tipps und Informationen speziell für Berufseinsteiger hat sie in ihrem Buch „#Benehmen“ (ISBN 978-3-00-053228-3 zusammengefasst. www.susanne-beckmann.de

In der kommenden Print-Ausgabe des ORGANISATOR erscheint zudem ein Artikel der Schweizer Knigge-Expertin Susanne Abplanalp über Umgangsformen im Büro.

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