Wie die Stiftung Procom den Turnaround schaffte

Vor einem Jahr hat die Stiftung Procom, die Dolmetsch-Dienstleistungen zwischen hörenden und hörgeschädigten Menschen anbietet, mit Roman Probst einen neuen Geschäftsführer engagiert. Dieser Entscheid war insofern mutig, als es sich bei Roman Probst um einen Vollblut-Unternehmer ohne nennenswerte Erfahrung im NGO-Bereich handelte. Ein Jahr später zeigt sich: Der Mut wurde belohnt. Procom hat unter der neuen Geschäftsführung erfolgreich den Turnaround geschafft und auf die Erfolgsspur zurückgefunden.

Überall, wo Kommunikation zwischen Hörenden und Nicht-Hörenden notwendig ist, stellt die Stiftung Procom Dolmetscher-Dienste in Gebärdensprache zur Verfügung. (Bild: Procom)

Im Winter 2022/2023 stand die Stiftung Procom kurz vor dem Kollaps, dies aufgrund verschiedenster, in der Vergangenheit entstandener Probleme. Unstimmigkeiten und Wechsel in der Geschäftsleitung sorgten für interne Spannungen und Vertrauensverluste bei Partnerorganisationen und -institutionen. Zahlreiche Abgänge von langjährigen Mitarbeitern waren die Folge. Die Stimmung war angespannt. Gefährdet waren über 150 Arbeitsplätze an fünf Standorten in der Schweiz.

Procom wusste, es geht um alles oder nichts. Es musste also dringend eine Veränderung passieren, damit die Stiftung sowie die Arbeitsplätze erhalten bleiben. Der Stiftungsrat entschied sich zu handeln: Roman Probst wurde angefragt, ob er in dieser schwierigen Situation die Geschäftsführung übernehmen könne. Probst sagte zu und übernahm am 1. April 2023 die Leitung der Procom. Die grosse Frage war: Gelingt dem Unternehmer der Sprung von der kompetitiven Selbständigkeit ins NGO-Feld und schafft er mit der Stiftung den Turnaround?

Innert einem Jahr den Turnaround geschafft

Heute, ein Jahr nach dem Stellenantritt von Roman Probst, lässt sich eine erste Bilanz ziehen. Und zwar eine erfreuliche: Procom schaffte erfolgreich den Turnaround und ist auf Erfolgskurs. Namentlich konnte die Stiftung ein gefestigtes positives Resultat erzielen. Daneben steigerte die Stiftung die Leistung um fast 15%, was insbesondere auf die verbesserte Online-Präsenz zurückzuführen ist. Und dies trotz einigen grösseren, längst fälligen Änderungen in der Organisationsstruktur und Investitionen.

Procom hat zudem eine neue barrierefreie Website aufgebaut, die sogar von der Zeitschrift „Netzwoche“ als Musterbeispiel präsentiert und gelobt wurde. Daneben wurden Social-Media-Kanäle praktisch von Null auf implementiert. Das Wachstum war aber auch zurückzuführen auf verstärkte Präsenz an Messen, im Radio, an Fernsehen, durch Kooperationen und anderen Initiativen.

Geschäftsführung im Interview: Es bleibt noch viel zu tun

Selbstredend gingen diese positiven Entwicklungen auch mit verschiedenen Herausforderungen einher. Wir haben Roman Probst zum Interview getroffen und über sein erstes Jahr als Geschäftsführer von Procom gesprochen. Wie sich zeigt, hat der Unternehmer grosse Freude an seiner neuen NGO-Tätigkeit.

Roman Probst, Geschäftsführer von Procom, zieht nach einem Jahr Tätigkeit eine erste Bilanz. (Bild: zVg / Procom)

War die Umstellung für Sie gross vom Unternehmer zum Geschäftsführer eines NGO?

Roman Probst: Die eigene Firma zu führen, die man selbst gegründet und aufgebaut hat, ist natürlich komplett anders als eine 35-jährige Stiftung mit über 150 Mitarbeitern zu leiten. Das ist schon eine andere Hausnummer und ich hatte grossen Respekt vor dieser Aufgabe. Logischerweise ist es auch so, dass Entscheide in einem NGO breiter abgestützt sein müssen, gerade bei Procom aufgrund des Stiftungszweckes. Als Team-Player finde ich diesen Aspekt meiner Arbeit spannend und bereichernd.

Was waren die grössten Schwierigkeiten beim Einstieg?

Als Newcomer in diesem Bereich hatte ich mir vorgenommen, die ersten zwei, drei Monate vor allem zuzuhören und zuzuschauen – und erst danach zu handeln. Es war schwierig, meinen Umsetzungsdrang im Zaum zu halten, da es einfach so viele Dinge mit hoher Priorität zu tun gab. Im Gegensatz zu meinem eigenen Unternehmen, wo manchmal alles sehr schnell gehen konnte, musste ich bei Procom mehr Geduld aufbringen.  

Was waren und sind die grössten Herausforderungen?

Rückblickend mussten wir vor allem in drei Bereichen vorwärts machen. Zunächst haben wir bei Procom erstmals eine richtige Digitalisierungsstrategie implementiert, um die Stiftung für die neuen digitalen Herausforderungen zu rüsten. Hier sind wir weiterhin mit voller Kraft bei der Umsetzung. Sodann haben wir die Organisation angepasst und optimiert. Ein wichtiger Schritt, um die Effizienz für die Zukunft zu sichern und zu steigern. Last but not least haben wir auch unseren Auftritt, sowohl nach innen als auch nach aussen, modernisiert. Dazu gehört nicht nur das überarbeitete Logo, sondern neue Impulse für die Unternehmenskultur und unsere Aussenwahrnehmung.

Würden Sie das Job-Angebot wieder annehmen?

Ja, zu 200%. Denn die Arbeit bei Procom mache ich aus tiefster Überzeugung. Zum einen habe ich durch meinen Background einen hohen Bezug zum Anliegen der Stiftung (Anmerkung der Redaktion: Die Eltern von Roman Probst sind gehörlos). Brücken zu bauen zwischen gehörlosen, schwerhörigen und hörenden Menschen ist für mich eine absolute Herzensangelegenheit. Zum andern kann ich mit meiner unternehmerischen Erfahrung einiges zum Erfolg von Procom beitragen. Besser könnte es also für die Stiftung und für mich nicht passen.

 

Die Stiftung Procom

Seit ihrer Gründung im Jahr 1988 bietet die Stiftung Procom Textvermittlungsdienste für hörgeschädigte Menschen an. Die Dienstleistungen umfassen zum einen den Dolmetschdienst zwischen Gebärdensprache und Lautsprache – vor Ort, online und am Telefon. Die Gebärdensprachdolmetscher/-innen von PROCOM dolmetschen zum anderen auch Informations- und Unterhaltungssendungen am Schweizer Fernsehen wie die Tagesschau etc. Seit dem Jahr 1998 garantiert das Fernmeldegesetz gehörlosen und schwerhörigen Menschen die gleichen Bedingungen für die Nutzung des Telefonnetzes, wie Hörenden. Procom betreibt hierfür den Textvermittlungsdienst und VideoCom für die Swisscom (BAKOM). Die Stiftung investiert in eine moderne Infrastruktur, sucht laufend nach neuen und besseren Kommunikationslösungen und unterstützt Projekte, die Kommunikationsbarrieren auflösen.

Der neue Geschäftsführer Roman Probst hatte 2005 sein eigenes Unternehmen, die Translation-Probst AG gegründet. Dieses hat er während zwölf Jahren zu einem führenden Übersetzungsdienstleister der Schweiz aufgebaut und geleitet. 2016 verkaufte Roman sein Unternehmen an den französischen Marktführer. Nach einem „Wanderjahr“ kehrte Roman Probst in die Schweiz zurück und war sieben Jahre als selbständiger Berater und Dozent für ZHAW und BBZ in den Bereichen Unternehmertum, Marketing und PR tätig, bis zum Stellenantritt bei Procom im letzten Jahr. Roman Probst ist heute 52 Jahre alt und glücklicher Familienvater.

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