Rückblick KMU-Tag 2023: KMU und ihr richtiges Momentum

Am 20. Schweizer KMU-Tag begaben sich drei Keynote-Speaker – Nicole Büttner, Bernhard Heusler und Thomas Zurbuchen –, und drei KMU-Unternehmer/-innen sowie gegen 1200 Gäste im Saal auf die Suche nach dem richtigen «Momentum» für ihre Unternehmen und Projekte. Den diesjährigen Startup-Pitch gewann Pascal Bieri von Planted, das neue Standards für pflanzenbasiertes Fleisch setzt.

KMU und das richtige Momentum: Til Zollinger, Tanja Zimmermann-Burgerstein und Claudio Minder im Podiumsgespräch mit Arthur Honegger, v.l.n.r. (Bild: KMU-Tag)

Der diesjährige Schweizer KMU-Tag feierte ein Jubiläum: Zum 20. Mal trafen sich Führungskräfte aus Klein- und Mittelunternehmen zu „ihrem“ Tag. Was aus einer „Bieridee“ am KMU-Institut der Uni St.Gallen entstanden ist, hat sich inzwischen zu einem etablierten Wirtschaftsanlass mit schweizweiter Ausstrahlung gemausert. Das Jubiläum nahmen die Veranstalter zum Anlass, verschiedene Änderungen an der Tagungs-Gestaltung vorzunehmen: Erstmals gab es ein elektronisches Ticketsystem, und es wurde auf eine „Goodie-Bag“ mit Giveaways verzichtet. Und mit dem KMU-Talk wurde ein neues Format auf dem Podium eingeführt. Für die humorvollen und unerwarteten Zwischentöne war am diesjährigen KMU-Tag das «Duo Lapsus» zuständig.

KMU mit positivem Momentum

Das Tagungsthema lautete „KMU und Momentum – was Unternehmertum ausmacht“. In seiner Eröffnungsansprache wies Gastgeber Tobi Wolf zunächst auf einige Parallelen zwischen heute und der Situation vor 20 Jahren hin: 2003 etwa war das Jahr des Swissair-Groundings – und dieses Jahr „erwischte“ es auf ähnliche Weise die Grossbank Credit Suisse. Ebenfalls vor 20 Jahren nahmen viele technologische Entwicklungen, die heute selbstverständlich sind, ihren Anfang: Smartphones, 3D-Drucker oder die Sozialen Medien. Sie hatten also den richtigen Moment erwischt und das Momentum auf ihre Seite gezogen. Und die KMU: Wie halten sie es mit dem „richtigen Momentum“? Dies versuchte die im Vorfeld des KMU-Tags durchgeführte Studie in Erfahrung zu bringen. Darin haben über 80 Prozent der antwortenden KMU-Führungskräfte der Aussage zugestimmt, dass das richtige Momentum zentral für den Erfolg eines Unternehmens sei. Auf die Frage, ob ihr Unternehmen rückblickend ein Momentum verpasst habe und was der Grund dafür gewesen sei, gab es drei hauptsächliche Aussagen: «Wir waren zu wenig mutig», «Wir hatten zuwenig Ressourcen» und «Wir waren zu langsam.» Und 60 Prozent der Antwortenden sind überzeugt, dass sich in ihrem Unternehmen das Momentum in den letzten Monaten positiv verändert hat. Tobi Wolf griff bei seinen Erläuterungen zum Bild eines Kreisels: Da wisse man nie im Voraus, in welche Richtung es ihn zieht – eben, wo das Momentum zu liegen kommt. Doch der Vorteil eines Kreisels liege darin, dass man ihn immer wieder neu in Bewegung setzen kann.

Warnte KMU davor, das richtige Momentum für KI nicht zu verpassen: Nicole Büttner. (Bild: Thomas Berner)

Von KI und bewährten Führungsgrundsätzen

Zu den grossen Trendthemen des Jahres 2023 gehört die künstliche Intelligenz (KI). Mit ChatGPT wurde diese quasi «über Nacht» demokratisiert. In nur zwei Monaten verzeichnete dieses Tool über 100 Millionen User (zum Vergleich: Das Telefon brauchte dazu 75 Jahre!). Keynote-Speakerin Nicole Büttner forderte die KMU auf, sich dieser Entwicklung nicht zu verschliessen: Wer heute nicht mitmache, könnte in Zukunft einen Wettbewerbsnachteil erhalten, warnte sie. Dabei gehe es nicht darum, Mitarbeitende durch KI zu ersetzen, sondern ihnen KI-gestützte Werkzeuge an die Hand zu geben. So könnten mit Unterstützung durch generative KI Vertragsprüfungen in nur zwei Minuten erledigt werden statt wie bisher in vier bis fünf Stunden. Und ebenfalls sollten KMU beginnen, eine Datenstrategie zu schaffen. Dazu gehöre es u.a., die Unternehmensdaten «wiederverwendbar» zu machen.

Bernhard Heusler, ehemaliger Präsident des FC Basel und heute als Jurist und Berater tätig, unterstrich in seiner anschliessenden Keynote die Bedeutung von Führungsqualitäten und Zusammenarbeit. Gerade in Zeiten von Digitalisierung und KI sind Empathie und emotionale Intelligenz wieder mehr gefordert. Er unterstrich, dass es heute die Aufgabe von Führung sei, Druck in Teams wegzunehmen und dafür Vertrauen zu schaffen. «Misstrauen lähmt und verursacht Stillstand», so Heusler. Aber: Führen heisse auch, nach vorne zu schauen und auch mal unpopulär zu agieren.

Bernhard Heusler sprach über wichtige Führungsgrundsätze. (Bild: Thomas Berner)

Startups und etablierte KMU auf dem Podium

Nach der Mittagspause ging es dann zunächst weiter mit der «Inspiration Session». Drei Startups pitchten dabei um die Gunst des Publikums: So präsentierte Philomena Schwab ihr Unternehmen Strayfawn Studios, welches Computerspiele entwickelt. Das 2016 gegründete Unternehmen bewegt sich damit in einem Markt, der inzwischen grösser ist, als Film- und Musik-Industrie zusammen. Melusine Bliesener und Katharina Lehmkuhl präsentierten mit Papydo ihre Idee von ökologischem Premium-Geschenkpapier, hergestellt aus Grasfasern. Ihr Claim: Sie wollen das «Fest der Liebe» zu einem «Fest der Umwelt» machen. Denn der Verbrauch an konventionellem Geschenkpapier ist hoch: Würde man alles pro Jahr verbrauchte Papier aneinanderreihen, ergäbe es eine Strecke von der Erde zum Mond. Hinzu kommt, dass sich konventionelle Geschenkpapiere kaum rezyklieren lassen. Pascal Bieri wiederum präsentierte mit «Planted» ein Startup, das eigentlich kaum mehr eines ist: Das vor vier Jahren gegründete Unternehmen wächst rasend schnell und zeigt, dass sein pflanzenbasiertes Fleisch bei den Kundinnen und Kunden gut ankommt. Die Produkte von Planted wie auch die präsentierte Unternehmensstrategie schienen das Publikum denn auch am meisten zu überzeugen: Pascal Bieri gewann am Schluss das Voting.

Im KMU-Talk unterhielt sich Moderator Arthur Honegger mit Claudio Minder von Kybun Joya, Tanja Zimmermann-Burgerstein von der Antistress AG und Til Zollinger von Zollinger Bio zu ihren ganz konkreten Erfahrungen mit Momentum und Unternehmer/-innentum. So erfuhr das Publikum etwa von Anfangsschwierigkeiten nach der Fusion von Kybun und Joya zur neuen Firma. Und ob man nach der weiteren Übernahme der Schuhmarke «Kandahar» wieder das richtige Momentum findet, könne man noch nicht abschätzen, so Claudio Minder. Oder Til Zollinger musste zugeben, vom Hitzesommer 2017 auf dem falschen Fuss erwischt worden zu sein. Man habe daraus aber inzwischen die Lehren gezogen und sei nun besser auf ähnliche Szenarien vorbereitet. Und Tanja Zimmermann-Burgerstein wusste zu erzählen, wie sich die Corona-Pandemie als Treiber ausgewirkt hat und man mit dem Aufbau von Lagerhaltung dieses «Momentum» bewältigen konnte.

Zeigte eindrücklich, wie das Zusammenspiel von Technik, Planung und Führung zum Gelingen komplexer Weltraum-Missionen beiträgt: Thomas Zurbuchen. (Bild: Thomas Berner)

Auch von der NASA können KMU lernen

Thomas Zurbuchen schliesslich sorgte nochmals für ein Momentum bzw. einen Höhepunkt am Schluss des KMU-Tags: In einem fesselnden Vortrag konnte er zeigen, dass tatsächlich auch Klein- und Mittelunternehmen von der amerikanischen Weltraumorganisation NASA und ihren Hochtechnologien lernen können – immerhin war er Jahre lang deren Forschungsdirektor. Eine seiner Erkenntnisse: «Change», also Wandel, ist immer präsent im Firmenalltag. «Änderung ist ein Naturgesetz, nicht die Stabilität!» So würden die Veränderungen durch KI grösser werden als jene nach der Erfindung des Computers, mahnte er. Und aus seinen Erfahrungen gab er diesen Punkt ans Publikum weiter: «Wenn schnelle Veränderungen kommen: Tut was! Lernt aktiv und experimentiert!» Spezifisch den Unternehmensleiterinnen und -leiter gab er auf den Weg, jeweils nur wenige Entscheide zu fällen, dafür die wichtigen – und das seien nur 20 Prozent aller Entscheide. Und: «Lange Zeitskalen sind wichtiger als die kurzen – aber die schwierigeren», so Thomas Zurbuchen abschliessend.

Der nächste KMU-Tag findet am 25. Oktober 2024 statt. Weitere Informationen: www.kmu-tag.ch

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