Das Coaching-Business wird digital

Die gestiegene Akzeptanz von Digitalcoachings hat den Coachingmarkt verändert, und er wird sich durch das wachsende Angebot KI-gestützter Coaching-Apps weiter wandeln.

Das Coaching-Business wird sich dank KI-gestützter Apps weiter wandeln, ist Bernhard Kuntz überzeugt. (Bild: zVg / Die PRofilBerater)

Bernhard Kuntz ist Inhaber der Marketingagentur Die PRofilBerater in Darmstadt (www.die-profilberater.de). Er ist u.a. Autor der beiden Marketing-Klassiker „Die Katze im Sack verkaufen“ und „Fette Beute für Trainer und Berater“.

Herr Kuntz, Sie behaupten, das Coaching-Business habe sich seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie fundamental verändert.

Bernhard Kuntz: Ja. Durch die gestiegene Akzeptanz des Digitalcoachings hat sich das Coaching-Business, das zuvor primär ein lokales bzw. regionales war, unter anderem internationalisiert.

Inwiefern?

Da beim Online- und Telefoncoaching die beim Präsenzcoaching erforderlichen An- und Abreise-Zeiten entfallen, ist es bei ihm eigentlich egal, wo der Coach wohnt. Die Coachees können sich auch von Coaches, die in den USA oder sonst wo leben, coachen lassen, ohne, dass die Kosten steigen. Die Digitaltechnik ermöglicht heute zudem Coachings, die zuvor aus betriebswirtschaftlichen oder organisatorischen Gründen nicht realisierbar waren.

Digitaltechnik macht viele Coachings erst möglich

Nennen Sie hierfür ein Beispiel?

Zum Beispiel Coachings von Teams, deren Mitglieder an verschiedenen Orten oder gar in verschiedenen Ländern arbeiten.

Also Coachings von sogenannten virtuellen oder hybriden Teams, die durch das vermehrte Arbeiten im Homeoffice sowie in bereichs-, standort- oder gar unternehmensübergreifenden Teams an Bedeutung gewonnen haben.

Ja, doch nicht nur deshalb bin ich überzeugt: Der prozentuale Anteil des Digitalcoachings am im Coachingmarkt erzielten Umsatz, der heute etwa 40 Prozent beträgt, wird noch stark steigen.

Warum noch?

Weil den Coaches mit den sogenannten Coaching-Apps gerade eine sehr mächtige Konkurrenz erwächst – speziell den im B2C-Bereich tätigen Coaches bzw. Life-Coaches.

Coaching-Apps machen den Coaches Konkurrenz

Wieso gerade den Life-Coaches?

Weil es aus Sicht der meisten Selbstzahler sehr teuer ist, für eine Coachingsitzung 100, 150 oder gar mehr Euro aus eigener Tasche zu bezahlen. Diesen Luxus wollen oder können sich viele nur selten leisten – zumindest dann, wenn es zugleich Coaching-Apps gibt, die ihnen versprechen: „Wir helfen Dir für 20 oder 30 Euro im Monat Dein Problem zu lösen.“ Dann versuchen insbesondere die jüngeren potenziellen Kunden, zunächst ihr Glück mal dort, denn sie sind es bereits gewohnt, sich zum Beispiel beim Sport-Treiben, Abnehmen oder Meditieren von einer App coachen zu lassen. Wohin die Reise geht, zeigt sich im Gesundheits- und Wellness-Bereich. Heute übernehmen (in Deutschland, Anm. d. Red.) bereits viele Krankenkassen die Kosten für die Nutzung von Apps zu solchen Themen wie Stress- und Gesundheitsmanagement, was manchen Anruf bei einem Coach erspart.

Sie sehen also eher schwarz für die Coaches, deren Kunden primär Selbstzahler sind?

Ja, sofern sie sich nicht im Markt teilweise neu positionieren und ihr Geschäftsfeld neu definieren.

Und wie sieht es im Business- bzw. B2B-Bereich aus, also bei den Coaches deren Klienten primär Unternehmen und Unternehmer sind?

Bei allen Coaches deren Klienten die Coachings als Betriebskosten verbuchen können, ist die Situation eine andere – weshalb ich auch im B2C-Bereich tätigen Coaches oft empfehle: Fokussiert euer Marketing auf Unternehmer und Freiberufler,, die selbst einen hohen Tagessatz haben, weshalb sie weniger preissensibel sind.

Coaching-Apps werden auch im B2B-Bereich genutzt

Und im klassischen Business-Bereich?

Auch dort erwarte ich, dass die Klienten, also Unternehmen, künftig verstärkt auf Coaching-Apps setzen – allein schon aus Kostengründen – und zwar nicht nur bei solch soften Themen wie Stressmanagement, sondern auch, wenn es zum Beispiel um das Vermitteln der erforderlichen Grundeinstellungen und -kompetenzen im Bereich Führung und Projektmanagement geht. Hier werden die Coaching-Apps jedoch primär ein Tool sein, um die Personalentwicklungsmaßnahmen effektiver und den Bedürfnissen der nachrückenden Mitarbeiter angemessener zu gestalten.

Inwiefern Letzteres?

Nun, die Angehörigen der Generation Y und Z, die heute schon oft zu den Leistungsträgern in den Unternehmen zählen, sind es gewohnt, netzgestützt zu arbeiten, zu kommunizieren, zu lernen usw. Deshalb erwarten sie geradezu, dass die Digitaltechnik auch bei der Personalentwicklung zum Einsatz kommt – allein schon, weil ihnen dies ein zeit- und ortsunabhängigeres Lernen ermöglicht. Diese App-Nutzung wird jedoch zumindest, wenn es um die Entwicklung der Leistungsträger in den Kernbereichen der Unternehmen geht, stets in umfassendere Coaching- und Personalentwicklungskonzepte eingebunden sein.

Gefragt sind hybride Coaching-Konzepte

Was heißt das?

Die Coaching-Maßnahmen werden zunehmend einen hybriden Charakter haben.

Was heißt das wiederum?

Nun, dass der Coach sich zum Beispiel zu Beginn einer Coaching- oder Entwicklungsmaßnahme zunächst einmal persönlich mit den Teilnehmern trifft, um zu ihnen eine Beziehung aufzubauen und sich mit ihnen auf Entwicklungsziele zu verständigen. Danach finden Online-Coachings und -Trainings statt, zwischen denen die Teilnehmer wiederum das Gelernte unter anderem mit Coaching- oder Selbstlern-Apps einüben und vertiefen. Dann findet erneut ein persönliches Treffen statt, bevor …

Was heißt das für die Business-Coaches?

Eine hohe Digitalkompetenz wird für sie, ebenso wie für die HR-Bereiche, zunehmend unverzichtbar, damit sie solche komplexen Coaching- bzw. Blended-Learning-Konzepte überhaupt schmieden und realisieren können, denn diese haben für die Unternehmen viele Vorteile.

Welche?

Unter anderem, dass die Coachees, wenn sie ein akutes Problem haben, dieses unmittelbar mit dem Coach erörtern können, statt wochen- oder gar monatelang auf das nächste Präsenzcoaching zu warten.

Business-Coaches müssen rollen-flexibler werden

Das klingt so, als müssten die Business-Coaches künftig auch verstärkt als Berater und Trainer agieren?

Das haben gute Coaches auch in der Vergangenheit schon getan, weil es beim Business-Coaching eigentlich immer darum geht, dass der Coachee seinen Job anschließend besser macht. Deshalb schlüpften gute Coaches schon immer situations- und bedarfsabhängig auch mal in die Rolle des Trainers oder Beraters. Das erwarten die Unternehmen von einem Business-Coach auch, wenn dies der Zielerreichung dient. Deshalb achten sie bei der Auswahl der Business-Coaches auch stark auf deren fachliche Expertise und Felderfahrung.

Das heißt, Beratung und Coaching verschmelzen zumindest im Betriebsalltag.

Aus meiner Warte war diese Trennung schon immer eine künstliche. Meine These laut: Reine Coaches haben es im Business-Bereich künftig zunehmend schwer – auch weil solche Coaching-Themen wie Selbstführung, bei denen die Wurzeln des Problems primär in der Persönlichkeit des Coachees liegen, zunehmend von KI-gestützten Coaching-Apps abgedeckt werden.

Business-Coaches sind auch künftig gefragt

Das dürfte die meisten Coaches nicht freuen…

Zumindest die Life-Coaches nicht. Anders sieht es bei den Themen aus, bei denen es darum geht, die Wirksamkeit einer Person oder Personengruppe in der Organisation zu erhöhen, was beim Business-Coaching der Regelfall ist. Hier müssen die Coaches teilweise ihr Selbstverständnis überdenken, damit sie unter Nutzung der Digitaltechnik für die Unternehmen und ihre Mitarbeiter attraktive Personalentwicklungs- und Coachingdesigns entwickeln und realisieren können. Wenn ihnen dies gelingt, werden sie auch künftig erfolgreich sein – egal ob auf ihrer Visitenkarte nun Coach, Berater, Trainer oder sonst etwas steht.

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