«The Art of the Deal» in der Höhle der Löwen Schweiz

Die zweite Sendung der siebten Staffel brachte wieder fünf interessante Business Cases. Nicht alle konnten die Löwinnen und Löwen überzeugen, aber es kam trotzdem zu einigen vielversprechenden Deals.

Der grosse Abräumer in der zweiten Folge der siebten Staffel von „Die Höhle der Löwen Schweiz“: Kandy Thamilchelvan. (Screenshot: CH Media)

Während die erste Sendung der siebten Staffel eher eine zähe Angelegenheit war für gewisse TV-Zuschauerinnen und -Zuschauer, ging es in der Sendung vom 26. August einiges lebhafter zu und her. Dafür verantwortlich waren natürlich einerseits die Entrepreneurinnen und Entrepreneure, aber anderseits sorgten auch die Löwinnen und Löwen selbst für Spannung. Eine Investorin sprang sogar für einmal über ihren Schatten und beteiligte sich an einem Unternehmen, das so ganz und gar nicht in ihr Portfolio passt. Aber mehr dazu später.

Case mit Potenzial zu schlecht verkauft…

Zunächst war da die Immobilienplattform Avendo, vertreten durch Camil, Daniel, Ficht und Roland. Ihre Plattform bietet eine tagesaktuelle Preisschätzung von Liegenschaften an. Immobilienbesitzer können darauf alle Daten erfassen, die für ihr Haus relevant sind. Mehr noch: Man kann davon sogar einen digitalen Zwilling erstellen und erhält in Echtzeit Infos zu den Entwicklungen im Immobilienmarkt. Wer eine Liegenschaft verkaufen möchte, kann dank der Angaben aus Avendo viel schneller eine Dokumentation erstellen. Nur: Die vier Gründer stiessen auf die Löwin Anja Graf, selbst Immobilien-Profi. Und sie «grillte» die vier buchstäblich – so sehr, dass sie mit ihren Erklärungsversuchen, was denn der Sinn und Zweck ihre Immobilien-Plattform sei, zusehends in Nöte kamen. «Das ist der grösste Bullshit, den ich je gehört habe», kommentierte Anja Graf die Ausführungen. Und ebenfalls für grosses Stirnrunzeln sorgte der Kapitalbedarf: 1 Million gegen 5 Prozent Beteiligung wollten die vier Gründer. Wie sie auf die derart hohe Firmenbewertung von 20 Millionen Franken kommen, konnten sie nur leicht schwammig begründen. Es schien, als ob sich die vier Unternehmer – einige davon durchaus mit erheblicher Business-Erfahrung – ihren Deal hier schon früh abschminken mussten. Anja Graf war jedenfalls als erste raus, auch Roland Brack und Nicole Büttner-Thiel machten keine Angebote, Ebenso Tom Zimmermann: Er wäre dabei gewesen, wenn die hohe Bewertung auch durch einen Gewinn in Millionenhöhe untermauert gewesen wäre. Als Jahresumsatz wurden 1,4 Millionen Franken genannt. Blieb noch Felix Bertram: Er bot die Million an, wollte aber 10 Prozent Beteiligung. Die nachgereichte Information, dass schon ein weiterer Co-Investor im Spiel sein, quittierte er mit einem grossen Seufzer. Die Avendo-Gründer versuchten es mit einem Gegenangebot: 1 Million gegen 7,5 Prozent. Felix Bertram lehnte schweren Herzens ab; «1 Million ist viel Geld, die 10 Prozent müsste ich schon haben».

Fazit: Ein interessanter Case mit Potenzial. Die vier Gründer schossen sich aber mit einer zu hohen Bewertung und etwas ungeschickter Beantwortung der Fragen selbst ab. Der Unterhaltungswert für die TV-Zuschauer:innen war aber trotzdem hoch.

Ein an sich guter Business Case, doch die vier Gründer von Avendo machten bei ihrer Präsentation eine wenig überzeugende Figur… (Screenshot: CH Media)

Alles fürs vegane Liebesspiel

Mit feelgood condoms ging Gründerin Martina an den Start. Feelgood ist die nach eigenen Angaben erste zertifziert vegane Schweizer Kondommarke. Der Clou: Die Kondome von Feelgood verzichten auf Casein, ein Stoff der häufig allergen wirkt und für das Missverständnis sorgen kann, Latex nicht zu vertragen. In Kombination mit einem ebenfalls veganen Gleitgel und einem selbst entwickelten Lovetoy bietet Feelgood also eine komplette Produktpalette für die schönste Nebensache der Welt. Selbstverständlich ist alles nachhaltig produziert aus FSC-Latex und mit grüner Energie. Um weiteres Wachstum finanzieren zu können, brauchte Martina 80’000 Franken, bot dafür 5 Prozent Firmenbeteiligung. Die anwesende Löwin und die vier anderen Löwen stellten ihre gewohnten Fragen nach Umsatz und Verkaufspreisen. Letztere bewegen sich mit zehn Franken pro Kondompackung sogar leicht unterhalb vom Preis von Konkurrenzprodukten. Das bemängelte Lukas Speiser: «Du musst es nicht günstiger verkaufen als andere Kondome. Denn es hat einen USP, der es von anderen unterscheidet.» Aber insgesamt waren alle fünf Löwen angetan von der Präsentation und lobten Martinas bisherige Strategie. Nicole Büttner-Thiel und auch Tom Zimmermann machten gleichwohl kein Angebot. Anders Roland Brack: Er bot 80’000 Franken gegen 15 Prozent. Felix Bertram, seines Zeichens auch Fachmann für Venerologie, also Geschlechtskrankheiten, stieg mit 80’000 Franken gegen 7,5 Prozent Firmenanteile in den Bieter-Wettbewerb. Lukas Speiser – als Amorana-Gründer bekanntlich mit viel Erfahrung im Lovetoy-Markt – bot ebenfalls 80’000 Franken, aber gegen 8 Prozent Beteiligung, und darüber hinaus ein Darlehen von 100’000 Franken. Dies bewog Roland Brack dazu, sein Angebot noch nachzubessern, doch am Schluss machte Lukas Speiser das Rennen. «Zusammen machen wir Feelgood gross», so seine Überzeugung.

Legte einen professionellen Auftritt hin, der letztlich mit einem Deal belohnt wurde: Martina Hammer mit ihren veganen Kondomen. (Screenshot: CH Media)

Frauenmode mit ethischem Anspruch

Mode von Frauen für Frauen: Das steht hinter dem Label Moya Kala mit den beiden Gründerinnen Sabina und Claudine. Hochwertige Damenmode aus Cupro (regenierte Zellulosefasern, früher bekannt als Kunstseide, aber eigentlich ein Abfallprodukt aus der Baumwollverarbeitung), hergestellt von Näherinnen aus Bulgarien, die dafür auch fair entlöhnt und am Umsatz beteiligt werden. Zudem will Moya Kala damit die Ausbeutung von Frauen bekämpfen, indem bewusst auf Arbeitsplätze in Osteuropa gesetzt wird. Das Zielpublikum sind Menschen, die der Überflussgesellschaft überdrüssig sind und deshalb auf nachhaltig produzierte Textilien setzen. Die gezeigten Kleidungsstücke – «affordable luxury» – stossen in der Höhle der Löwen auf Anklang. 5000 Stücke konnten die beiden Damen inzwischen verkaufen und daraus einen Umsatz von 340’000 Franken generieren. Nun soll eine internationale Expansion für weiteres Wachstum sorgen, 400’000 Franken wollten Sabina und Claudine investiert sehen und boten dafür 15 Prozent Firmenanteile. So weit, so gut. Doch Löwe Tom Zimmermann störte sich daran, dass Männer bei diesem Label ausgeschlossen sind. «Schiebt ihr hier nicht einfach die Hälfte des Marktes zur Seite?», fragte er. Doch Sabina und Claudine liessen sich von ihrem Fokus auf Frauen nicht abrücken. «Wir stehen dazu», so ihr klares Statement. Letztlich kam es zu keinem Deal; Lukas Speiser sah bloss einen Nischenmarkt, der zu wenig Wachstum verspricht. Für Bettina Hein war es die falsche Branche, und Felix Bertram sprach ein anderes Problem an: Ein ethischer Ansatz sei zwar gut und wichtig, für Investoren aber nicht immer attraktiv. Dies blieb denn auch als Fazit dieses Business Cases zurück.

Beautyprodukte mit Familiensinn

Weiter ging es mit Valeria und Viktor, die mit ihrem gleichnamigen Brand Beautyprodukte auf Basis von Honig aus dem Balkan vermarkten. Der Honig, der seit Generationen im familieneigenen Garten in Serbien geerntet wird, wird mit weiteren Zutaten zu Pflegeprodukten gemischt. Dass Honig eine pflegende und heilende Wirkung auf die Haut hat, wusste schon Kleopatra – und neu auch Kate Middleton. Valeria und Viktor haben ihren «Balkan Honey Blend» nun als Fusscreme, Lippenbalsam und als Body Lotion im Angebot. Bisher konnten sie über ihren Webshop 2000 Produkte verkaufen. Für weiteres Wachstum und den Schritt in den stationären Handel möchten sie ein Investment von 120’000 Franken gegen 12 Prozent Beteiligung. Die Löwen zeigten sich angetan von den Produkten und lobten besonders die Verpackung und das Grafik-Design, sowie die olfaktorischen Eigenschaften der Produkte. Branchenkenner Felix Bertram warnte davor, zu stark auf «Wellness & Spa» zu setzen. Der Markt dort sei «brutal hart». Deshalb war er als Investor auch schnell draussen. Roland Brack bot an, die Produkte von Valeria und Viktor in sein Sortiment aufzunehmen. Tom Zimmermann gefiel vor allem die Familiengeschichte hinter den beiden Gründern. «Das soll so bleiben», sagte er und sah alternative Finanzierungsformen als zielführender an. Auch Jürg Schwarzenbach schloss sich dieser Argumentation an, und Bettina Hein äusserte einmal mehr ihre Berührungsängste mit ihr fremden Branchen und wollte nicht investieren. Die schönen und sympathisch präsentierten Produkte erhielten somit keinen Deal. Valeria und Viktor konnten die Sendung aber gewiss für gutes Marketing nutzen.

Mit Begeisterung zum Deal

Kandy aus Einsiedeln präsentierte mit «Wachmeister» einen Koffein-Booster in Bonbon- und Kaugummiform, der vor allem auf Social Media derzeit voll abgeht. Kandy ist für die Zuschauerinnen und Zuschauern von «Die Höhle der Löwen Schweiz» kein Unbekannter, trat er doch schon 2021 zusammen mit einem Kompagnon auf, um das Getränk «Paido» zu präsentieren. Es reichte damals nicht für einen Deal, aber in Erinnerung blieb die geballte Ladung Marketing-Power, die Kandy damals an den Tag legte. Und das war auch in der aktuellen Sendung nicht anders: Das Gorilla-Maskottchen von «Wachmeister» spielte eine prominente Rolle, ist es doch verantwortlich für einen hohen Wiedererkennungswert. 80’000 Follower und 15 Millionen Views verzeichnet der Brand auf Social Media, inzwischen dürften Tausende hinzugekommen sein. Koffein als «Wachmacher» ist zwar nichts Neues. Bei Wachmeister neu ist aber die Darreichungsform: Bonbons und Kaugummi. Diese sorgen dafür, dass das Koffein durch die Mundschleimhaut schneller aufgenommen werden kann und die Wirkung schneller einsetzt. Mit einem Investment von 100’000 Franken gegen 5 Prozent Firmenanteile will Wachmeister weiter wachsen. Allen Löwen gefällt der Brand und auch die Begeisterung des Unternehmers, der alles andere dafür aufgegeben hat, um Wachmeister nach vorn zu bringen. Ausgerechnet Dermatologe Felix Bertram und Tech-Unternehmerin Bettina Hein waren es, die gemeinsam ein erstes Angebot in die Runde warfen: 100’000 Franken gegen 8 Prozent Firmenanteile. Lukas Speiser platzierte ebenfalls ein Angebot: 100’000 Franken, wollte aber 10 Prozent der Firma dafür. Nun ging Kandy «all-in»: Er hätte gerne alle drei im Boot für 200’000 Franken gegen 16 Prozent. Und sie machten mit, wollten aber 19 Prozent. Auf diesen Deal ging Kandy schliesslich ein. Sein Business Case zeigte, wie man mit Begeisterung und Überzeugung für seinen Brand Investoren überzeugen kann – auch solche, die sonst nichts mit der Nahrungsmittelbranche zu tun haben. Bettina Hein sprang für einmal über ihren Schatten. So muss man sich wohl die «Art of the Deal» in Realität vorstellen.

Hier geht es zur Sendung: https://www.oneplus.ch/catalog/1000604

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