Zahlungsverhalten im Vergleich: Sinkt die Zahlungsmoral in der Schweiz bald noch tiefer?

Was macht hiesigen Unternehmen das Überleben sonst noch schwer? Klare Antworten darauf und zu vielem mehr gibt der Länderreport Schweiz, der am 11. Juni zusammen mit dem European Payment Report 2019 veröffentlicht wurde. Intrum, die Herausgeberin der Studie, befragte für die diesjährige Ausgabe über 11’856 Unternehmen in 29 europäischen Ländern.

Zahlungsverhalten ungenügend: Spätzahler gefährden Liquidität. (Bild: Gerd Altmann / pixabay.com)

Europas Politik bewegt sich. Die Schweiz, mitten drin, doch nur teilweise direkt dabei, bleibt davon nicht unberührt. Denn eng verwoben sind die wirtschaftlichen Verbindungen ihrer Unternehmen mit dem Euroraum, bedeutend die dortigen Handelspartner und gross die Abhängigkeiten. Nach letztjähriger Zuversicht wächst die Skepsis bei den Schweizer Unternehmen, was die zukünftige Stärke Europas angeht. Befeuert durch die teils bereits deutlich schwächelnde Wirtschaft in Europa und die unterdurchschnittlichen Konjunkturprognosen für die Schweiz macht sich Pessimismus breit. Dies zeigt die Länderanalyse aus dem aktuellen European Payment Report, der von Intrum AG durchgeführt wurde. Die Studie basiert auf einer vom 31. Januar 2019 bis 5. April 2019 durchgeführten Umfrage bei 11’856 Unternehmen in 29 europäischen Ländern. Sie beleuchtet das Zahlungsverhalten aus verschiedenen Blickwinkeln, zeigt nationale Trends auf und stellt ihnen europäische Vergleichszahlen gegenüber. Der European Payment Report 2019 sowie der Länderreport Schweiz 2019 stehen als Download kostenlos zur Verfügung.

Wirtschaftlicher Abschwung befürchtet

Knapp ein Drittel der Befragten befürchtet einen wirtschaftlichen Abschwung innerhalb der nächsten zwei Jahre oder ist überzeugt, dass sich die Schweiz schon heute in einer Rezession befindet. Mit 27 Prozent – im Vorjahr waren es erst 7 Prozent – rechnen auffällig mehr Schweizer Unternehmen mit einem bald noch höheren Debitorenrisiko. Schon heute schreiben sie jährlich knapp 4 Prozent ihres Umsatzes aufgrund von Debitorenverlusten ab und liegen damit deutlich höher als der Durchschnitt ihrer europäischen Mitbewerber. Lediglich 6 Prozent der befragten Unternehmen glauben noch an die Verringerung ihrer Debitorenausfälle in naher Zukunft. «Bereits zahlreiche Unternehmen agieren vorausschauend und ergreifen vorsorgliche Massnahmen, um sich für einen allfälligen wirtschaftlichen Abschwung zu rüsten», stellt Thomas Hutter, Managing Director der Intrum AG, fest. «Solche, wie bspw. die proaktive Verringerung des Debitorenrisikos, lassen sich jederzeit initiieren und wirken sich umgehend auf das Betriebsergebnis aus. Zudem vergrössert sich damit der finanzielle Spielraum des Unternehmens und dessen Stressresistenz im wirtschaftlich anspruchsvollen Umfeld.»

Spätzahler: Mitschuldig an Liquiditätsengpässen und Zahlungsunfähigkeit

Problematisch ist das Wirtschaften für 71 Prozent der Schweizer Unternehmen, wenn die Debitoren ihre Rechnungen erst nach dem Fälligkeitsdatum bezahlen. Damit liegt die Schweiz auch hierin deutlich über dem europäischen Durchschnitt von 51 Prozent. Die in den letzten Jahren teilweise reduzierten Zahlungsfristen wirkten jedoch nur mässig als Gegenmittel. Noch immer wird die Geduld der Gläubiger über die Massen strapaziert. Zahlungen von Privatkunden gehen in der Regel rund 4 Tage zu spät ein, Firmenkunden erlauben sich gar einen 7-tägigen Verzug. Besonders weit über das Zahlungsziel hinaus werden die Rechnungen des öffentlichen Sektors beglichen: Statt innert 31 muss hier im Durchschnitt 42 Tage auf den Eingang gewartet werden.

Im Vergleich mit der europäischen Usanz setzen Schweizer Unternehmen Privaten längere Zahlungsfristen, was sich wiederum auf die Dauer bis zum effektiven Zahlungseingang auswirkt. Kürzer sind hingegen die Zahlungsfristen, welche Firmenkunden und durch die öffentliche Hand gewährt werden: Diese Rechnungen müssen schneller als in Europa beglichen werden.

Unabhängig von längeren oder kürzeren Zahlungsfristen, steht es um die Zahlungsmoral alles andere als gut. Die Gründe dafür lassen sich in finanziellen Schwierigkeiten der Schuldner aber auch in vorsätzlicher Verzögerung oder Unachtsamkeit verorten. Gut ein Viertel der Befragten beklagen deswegen Liquiditätsengpässe und Umsatzeinbussen. 21 Prozent sehen sich durch verspätete Zahlungseingänge im Wachstum verhindern und 14 Prozent gar in ihrer Existenz bedroht. Immer öfter greifen Schweizer Unternehmen zur Vermeidung von Zahlungsausfällen zu Vorsichtsmassnahmen: Ganz vorne rangiert die Vorauszahlung (55%), gefolgt von Bonitätsprüfungen (42%) und dem Inkasso ihrer Forderungen (28%).

Zukunft: Ohne Bargeld aber mit viel Risiko aus dem Netz

Nicht erst in der Zukunft, sondern bereits im Heute haben viele Bereiche und Branchen Prozesse digitalisiert. Längst etabliert haben sich digitale Zahlungsmethoden. 48 Prozent der befragten Unternehmen glauben, dass wir in spätestens 10 Jahren in einer bargeldlosen Gesellschaft leben werden. Mit dieser Einschätzung liegt die Schweiz exakt im europäischen Durchschnitt. Obwohl viele auch die Vorteile für ihr Unternehmen in der Digitalisierung sehen – u.a. in der Effizienzsteigerung bei den Zahlungsabläufen und in der Buchhaltung – sorgen sie sich vor der Zunahme von Cyberangriffen. Knapp zwei Drittel (63%) sind der Meinung, dass mit der weiteren Zunahme des bargeldlosen Zahlungsverkehrs auch die Gefährdung durch Cyberangriffe steigen wird. Im Bereich des Online-handels, der eine immer bedeutendere Dimension annimmt, können mittels digitaler Identitätsprüfung der Kundschaft die Risiken der Lieferanten verringert resp. ihre Sicherheit markant erhöht werden.

Quelle: Intrum AG

 

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