Was bedeutet eigentlich… «DM»?

Benno Maggi befasst sich in seiner Kolumne «Was bedeutet eigentlich…?» mit Begriffen aus dem Marketing- und Kommunikationsbereich. Dieses Mal behandelt er das Akronym «DM».

Das Akronym scheint so etwas wie ein Statement gegen die allgegenwärtige Öffentlichkeit von Mitteilungen zu sein. Haben wir tatsächlich nach etwas mehr als 20 Jahren Social Media bereits alle genug davon, alles von allen zu wissen?

Die zwei Buchstaben stehen nämlich neu für Direct Message. Statt 1-to-all heisst es jetzt plötzlich wieder 1-to-1. DMs sind also eine Art 1-to-1-Dialoge. Wobei es oft eher ein Monolog ist als ein Dialog, aber dazu später. Mit DMs können sich Personen auf Facebook, Instagram, LinkedIn oder X gegenseitig direkt anschreiben. Das hat Vor- und Nachteile.

Der Vorteil: DM ist eine gute Lösung, nicht allen alles mitteilen (aber auch nicht alles lesen) zu müssen. Wie oft haben wir uns doch darüber geärgert, zwei Personen zuhören – oder besser «zulesen» – zu müssen, wenn sie in den Sozialen Medien für alle sichtbar eine Debatte führten, Gefühle austauschten oder schlicht nur einen gemeinsamen Termin suchten? Eben. Darum boomen jetzt DMs.

Aber Obacht: auch das hat seine Tücken. Oder eben Nachteile. Zum Beispiel die Möglichkeit, unter Ausschluss der Öffentlichkeit ungefragt Meinungen zu deponieren. Das kann für die Empfänger solcher Messages ganz schön zur Belastung werden. Vor allem dann, wenn es sich um Belästigungen, Hates, Anmache oder anderes Unerwünschtes handelt. Hierfür gibt es sogar ein eigenes Verb: sliden. Was übersetzt rutschen oder gleiten bedeutet. «In die DMs sliden» meint dann eben jemandem in einem sozialen Netzwerk eine Privatnachricht, meist eine Anmache, zu schreiben. Und die sind oft nicht jugendfrei und gerade für weibliche Nutzerinnen von Sozialen Medien eine echte Plage. Aber auch Gehässigkeiten gegenüber Politikerinnen und Politikern sowie anderen Menschen in öffentlichen Ämtern wie Lehrpersonen, Steuerbeamten, aber auch Journalistinnen und Journalisten, Andersdenkenden und Menschen anderer Herkunft gehören leider zum DM Alltag in den Sozialen Medien.

In DMs geht scheinbar jeder Anstand verloren

Die Möglichkeit, DMs zu verschicken, scheint die Hemmschwelle komplett entfernt zu haben. Da rutscht Despektierliches, Unflätiges und Beleidigendes so locker von der Smartphone-Tastatur in die privaten Chats, dass man meinen könnte, es gäbe in den Sozialen Medien nur eine Spezies Mensch: der/die Asoziale. Und wir sollten, wenn das so weitergeht, über ein Renaming nachdenken: Asoziale Medien.

Ist doch wahr! Nur weil die Möglichkeit besteht, jemandem mit einem Klick eine direkte Nachricht zu schicken, ist das noch längst keine Aufforderung oder gar Pflicht, dies zu tun. Aber das ist wohl eine Zeiterscheinung. Oder wie Erich Kästner es einmal formulierte: Schlechte Zeiten. Schlechte Manieren.

Früher hat man ja auch nicht wildfremde Menschen angerufen, nur weil deren Name erst im Telefonbuch und dann später auf Telsearch verfügbar war. An dieser Stelle gleich ein Aufruf an all jene, die das tun: Hört auf damit, Direct Messages zu verschicken! Stellt euch lieber der Öffentlichkeit. Oder lasst es ganz sein. Eure Meinung interessiert niemanden.

Aber an diesem Punkt waren wir auch schon mal in der Branche. Als DMs nämlich noch Direct Mails geheissen haben und unter dem Begriff «Mail» noch die physische Post gemeint war und nicht E-Mails. Das war die Zeit, als Werbeagenturen sich darauf spezialisiert hatten, direkt an Personen adressierte Postwurfsendungen zu verschicken. Die Adressen von uns Normalsterblichen wurden in den 60er-Jahren in darauf spezialisierten Firmen von Hand aus Telefonbüchern auf Listen zusammengetragen und dann teuer direkt an Firmen oder an Direct-Mailing-Agenturen verkauft. Dann kamen Lettershops und später Direct-Marketing Anbieter, die sich eine goldene Nase verdienten, bis schliesslich die ersten «Keine Werbung»-Kleber auf den Briefkästen versuchten zu verhindern, dass solche DMs darin landeten.

Vielleicht sollten wir uns auch auf Social Media darauf besinnen und «Keine DMs» Sticker auf die Profile kleben, um ungebetene Gäste von der Direct Message Box fernzuhalten. Oder anders gesagt: Seid doch wieder nett zueinander. Klopft an und fragt zuerst, ob ihr überhaupt reinkommen dürft, bevor ihr in die Social Media Stube fremder Menschen tretet.


Benno Maggi ist Mitgründer und CEO von Partner & Partner. Er lauscht seit über 30 Jahren in der Branche und entdeckt dabei für uns Worte und Begriffe, die entweder zum Smalltalken, Wichtigtun, Aufregen, Scrabble spielen oder einfach so verwendet werden können.


Dieser Beitrag erschien ursprünglich auf werbewoche.ch - https://www.werbewoche.ch/de/marketing/was-bedeutet-eigentlich/2024-03-28/was-bedeutet-eigentlich-dm/

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