Der Schweiz und Europa ins Gewissen geredet

Ein kritischer Blick der afrikanischen Kinderaktivistin Auma Obama auf die herkömmliche Entwicklungshilfe und Tadel am Euro und an der Europäischen Union des griechischen Ex-Finanzministers Yanis Varoufakis prägten das 14. Alpensymposium, das am 13. Januar in Interlaken beendet wurde.

Sprach über die verschiedenen Weltprobleme: Gregor Gysi, prägende Figur der deutschen Partei Die Linke.

Der zweitägige Wissensevent, der am 12. und 13. Januar in Interlaken stattfand, wartete mit einer breiten politischen Meinungsvielfalt und vielen nützlichen Inputs für Entrepreneurs, CEO’s und innovative Unternehmerinnen und Unternehmern auf. Auch dieses Jahr hat es Veranstalter Oliver Stoldt geschafft, namhafte Persönlichkeiten ins Berner Oberland zu locken, welche mit durchaus provokanten Aussagen das Publikum zum Nachdenken anregen konnten.

Kein Demokratie-Defizit in Europa
So erklärte der griechische Ex-Finanzminister Yanis Varoufakis, dass es keine demokratischen Defizite in der Eurozone geben, sondern eine tiefe Missachtung des demokratischen Prozesses. In einem historischen Rückblick zur Entstehung der Eurozone versuchte Varoufakis aufzuzeigen, dass das entwickelte System einer Krisensituation nicht gewachsen ist. Er forderte eine gesamteuropäische politische Bestrebung, gemeinsame Antworten auf gemeinsame Herausforderungen zu finden. Der Traum des Wohlstandes könne nur mit mehr Transparenz und Demokratie erreicht werden. Auch die ehemalige Schweizer Aussenministerin Micheline Calmy-Rey sieht die Welt immer stärker konfrontiert mit internationalen Herausforderungen, Risiken und Problemen. Europa habe auf diese Bedingungen mit Integration reagiert, die Schweiz dagegen sei bereits eine transnationale Demokratie, die trotz verschiedenen Kulturen solche Herausforderungen meistern könne, erklärte Calmy-Rey in einem Vergleich von der EU und Schweiz.

Kritik an der Entwicklungshilfe
Um das geistige Kapital als kollektives Wissen ökonomisch nutzen zu können, müsse man wissen, dass man es hat. Die afrikanische Kinderaktivistin Dr. Auma Obama kritisierte damit am Dienstag am Alpensymposium in Interlaken die herkömmliche Entwicklungshilfe, welche primär die Opfermentalität fördere. „Entwicklungshilfe“ solle sich nicht aus der Gewissensfrage erklären, mahnte die Schwester des amerikanischen Präsidenten, die mit ihrer Organisation Sauti Kuu bei Kindern in Kenia soziale, kommunikative und fachliche Kompetenzen aufbauen will, um Eigenverantwortung und das Bewusstsein für das eigene Potential zu entwickeln. Obama will damit die Ressourcen vor Ort besser nutzen, um weniger vom Know-how der westlichen Entwicklungshilfe abhängig zu sein.

Fantastisches oder furchtbares Europa…
Weiter begeisterten die beiden deutschen Kontrahenten Wolfgang Bosbach (CDU) und der ehemalige Oppositionsführer Gregor Gysi mit rhetorischem Klartext. Während Wolfgang Bosbach feststellt, dass sich der europäische Gedanke  immer mehr Richtung national- und regionalpolitischen Überlegungen verabschiedet, vermisst wünscht sich Gregor Gysi mehr Demokratie in der Wirtschaft: „Demokratie haben wir nur in der Politik, nicht aber in der Wirtschaft.“ Sein Referat über die gravierendsten Weltprobleme schloss Gysi mit viel Ironie und zwei Skizzen eines Europas: „In einem fantastischen Europa kommt die Planung und Organisation aus Deutschland, die Polizei aus Grossbritannien, die Küche aus Italien, die Liebe aus Frankreich und die Technologie aus der Schweiz. Im furchtbaren Europa hingegen kommen Planung und Organisation aus Italien, die Polizei aus Deutschland, die Küche aus Grossbritannien, die Technologie aus Frankreich und die Liebe aus der Schweiz.“

Der Weg zum „digital leader“
Neben viel Politik ging es aber auch um unternehmerische Herausforderungen. Im Zentrum stand der digitale Wandel. Der deutsche Mr. Creativity und Rückwärtssprecher Bernhard Wolff warb für intelligentes Entertainment, Manuel P. Nappo (Digitale Transformation) und der Markenspezialist Dietmar Dahmen (Der digitale Wolf) entführten das Publikum in die digitale Welt. Nappo gab dem Publikum folgende Tipps auf den Weg, wie sie als Unternehmer selbst zu einem „digital leader“ werden können:

  • Immer das „Big Picture“ sehen, aber den Fokus nicht verlieren
  • „First Class user experience“ über alles setzen
  • Netzwerke aufbauen: „Die Zeit des Ego ist vorbei“
  • Angriff ist die beste Verteidigung: Also nicht warten, bis der Konkurrent angreift, sondern selbst den Markt aufrollen
  • Kleine Player nie unterschätzen
  • Neugierig bleiben Stay
  • Ein kollaboratives Arbeitsklima schaffen
  • „Credit where credit is due“
  • Weniger „ja, aber…“ sondern mehr „ja, warum nicht…“

Ferner appellierte Economiesuisse-Präsident Heinz Karrer an die Politik, die bilateralen Verträge mit der EU aufrecht zu erhalten und mit Freihandelsabkommen den Zugang für die Schweizer Wirtschaft zu gewährleisten. Für essentiell hielt Karrer ausserdem die Unternehmenssteuerreform III und einen Regulierungsstopp, um die Innovations- und Wettbewerbs-fähigkeit der Schweizer Wirtschaft auch künftig zu gewährleisten.

Unternehmerische Strategien
Am Mittwoch weckte der „Weisse Shaolin“ Marc Gassert mit einer eindrücklichen Show die Willenskraft. Von den persönlichen und beruflichen Erfahrungen des Flugpioniers Bertrand Piccard, des FC-Basel-Präsidenten Bernhard Heusler und des innovativen Schweizer Ski-Produzenten Benedikt Germanier profitierte das wissensbegierige Publikum. Der Glice-Gründer Viktor Meier, der Holzspielwarenfabrikant Marc A. Trauffer, der Schwob-CEO Stephan Hirt und Volker Schmidt (CSS Versicherung) informierten im Unternehmertalk über ihre Strategien. Die Referenten wurden vom SRF-Moderator Stephan Klapproth wie immer gekonnt und mit viel Humor in Szene gesetzt.

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