Digitalisierung im Handel: Positive Impulse auf den Umsatz

Eine aktuelle Umfrage von Handel Schweiz unter 4‘000 Händlern zeigt, dass die grosse Mehrheit die Digitalisierung als Chance nutzt. Die Kompetenz der Mitarbeitenden in Sachen Digitalisierung hat zugenommen. Nur der Spielwarenhandel beklagt noch einen Mangel an Know-how und Fachkräften.

Lounge, Wohnzimmer, Restaurant oder Warenhaus? Die Loeb AG bietet den Kunden an ihren Standorten ein 360-Grad-Einkaufserlebnis. Die Digitalisierung im Handel eröffnet neue Möglichkeiten. (Bild: Loeb AG / Handel Schweiz)

Die Dachorganisation des Handels hat die breite Bevölkerung auf Social Media gefragt, wie die Digitalisierung des Schweizer Handels beurteilt wird. Zwei Drittel der Befragten finden, dass der Handel in der Digitalisierung gut bis sehr gut unterwegs sei. In der aktuellen Umfrage unter 4‘000 Schweizer Handelsunternehmen bestätigt die überwältigende Mehrheit der Befragten, dass die Digitalisierung den Handel weiterhin verändert. Das zeigt sich auch beim Umsatz. Kaspar Engeli, Direktor von Handel Schweiz, erklärte am Mediengespräch: «Während in der Vergleichsstudie von 2016 noch die Hälfte der Befragten gar keinen Effekt der Digitalisierung auf den Umsatz vermeldete, sind es heute nur noch knapp 11%. 31,4% der Handelsunternehmen erkennen eine positive Wirkung der Digitalisierung auf ihren Umsatz.»

Erstmals einzeln ausgewertet wurde – aus saisonalem Anlass, denn die letzten Monate des Jahres sind wegen des Weihnachtsgeschäfts traditionell besonders umsatzstark – der Spielwarenhandel. Dort wirkt sich die Digitalisierung bei knapp der Hälfte der Händler positiv auf den Umsatz aus. Nur noch 7% aller befragten Handelsunternehmen unternimmt nichts in der Digitalisierung. Nach wie vor meidet der Grossteil die digitalen Plattformen, die als Konkurrenten wahrgenommen werden. Hier hat sich die Wettbewerbssituation vor allem im Sortiment und bei der Logistik verschärft. Kaspar Engeli sagt dazu: «Die Handelsunternehmen stehen vor dem Entscheid, ihr eigenes Sortiment zu erweitern oder sich stärker zu spezialisieren und gleichzeitig die Verfügbarkeit des möglicherweise breiteren Sortiments zu erhöhen.»

Globaler Einheitspreis: 24% der Händler bestätigen das

Wenn über Digitalisierung gesprochen wird, ist das Thema Preise nicht weit. Deshalb wurden die Handelsunternehmen auch nach ihrer Einschätzung zur Preisentwicklung befragt. Der Direktor von Handel Schweiz erklärt: «Insgesamt finden 91% der befragten Händler die Preisentwicklung negativ. Rund ein Viertel erwartet, dass sich der globale Einheitspreis durchsetzt. Über 82.5% der Handelsunternehmen gehen davon aus, dass ihre Preise höher sind als bei der internationalen Konkurrenz, 10.5 % halten ihre Preise im internationalen Vergleich für niedriger.» Im Vergleich dazu die Meinung der breiten Bevölkerung auf Social Media: Knapp die Hälfte der Befragten finde, der Schweizer Handel sei zum Teil zu teuer. 16% verneinen, 37% stimmen dem voll und ganz zu. Auch Handel Schweiz sieht die Preisdifferenzen und fordert erneut, dass der Handel gleich lange Spiesse brauche. Nicht zuletzt sei im Sinne der KonsumentInnen konsequent das Cassis-de-Dijon umzusetzen, so Kaspar Engeli.

Kaspar Engeli, Direktor von Handel Schweiz. (Bild: Handel Schweiz)

Trend zum Haptischen bei Spielwaren

So erklärte Rolf Burri, Präsident des Spielwaren Verbands Schweiz: «Die Spielwarenhändler verzeichnen insgesamt ein stetiges Wachstum im einstelligen Bereich. Gleichzeitig sind wir eine sehr schnelllebige Branche mit immer wieder neuen Trends. Manche Produkte werden 6 bis 8 Wochen lang extrem gehypt und verschwinden dann wieder vom Markt. Innerhalb der kurzen Zeit sind sie dann jedoch omnipräsent.» Er macht ein grosses Potenzial für die Digitalisierung in der Spielwarenbranche aus, wie die Umfrage auch bestätigte. «Wir gehen davon aus, dass die Hälfte der Schweizer Fachhändler ihr digitales Potenzial noch nicht voll ausschöpft. Für Hersteller besteht die Herausforderung zudem in der sinkenden Zahl der Fachhändler. Es müssen also andere Vertriebskanäle genutzt werden.» Der Online-Handel mit Spielwaren liegt in der Schweiz bei nur 15%; In Deutschland und England beträgt der Online-Anteil bereits bis zu 40%. Die grosse Herausforderung ist die Logistik im Fachhandel – hier ist die Digitalisierung ein Muss, damit die Prozesse kosteneffizient ablaufen. Das kann ein Händler mit mehreren Filialen besser bewältigen.

Rolf Burri, Präsident Spielwaren Verband Schweiz SVS und Geschäftsführer Carlit + Ravensburger AG (Bild: zVg / Handel Schweiz)

Den Trend zum Haptischen bestätigt die Tatsache, dass manche bekannten digitalen Games inzwischen als haptische Version zu haben sind, wie zum Beispiel Minecraft. Den Trend zum personifizierten Produkt zeigt sich auch am wachsenden Angebot an persönlich angepassten Versionen von Spielen, Puzzles und Memories.

Digitalisierung im Handel konkret im Warenhaus Loeb

Wie der stationäre Handel das Thema Digitalisierung anpackt, zeigte Matin Stucki, Chief Digital Officer beim bekannten Berner Warenhaus Loeb AG. «Die grosse Chance liegt in der Konzentration auf den Kundennutzen und nicht auf die Technik», erläuterte er. KundInnen würden sich nach wie vor sehr gerne durch das persönliche und das haptische Erlebnis überraschen lassen. «Das Warenhaus muss eine Wohlfühl-Atmosphäre schaffen und die Verweildauer erhöhen.» Bei Loeb können Kundinnen und Kunden in den verschiedenen Kundenlounges fernsehen, Zeitung lesen, nähen, sticken, Retro-PacMan-Games oder mit dem Töggelikasten spielen und gleichzeitig an den Sitzplatz Essen bestellen und dort auch gleich bezahlen. Dank der Digitalisierung kann die Warenhauskette das Loyalty-Programm für die rund 80’000 InhaberInnen einer Loeb-Karte stärker an das persönliche Kaufverhalten anpassen. Für den kürzlichen Umbau des Berner Warenhauses hat Loeb über CHF 10 Mio. ausgegeben. So wurden bei Loeb in Bern u.a. 70 Digital Signage Systeme installiert. Der Kundendienst ist nicht nur via Chat auf der Website ansprechbar, sondern auch über WhatsApp oder Messenger. Der Chief Digital Officer konkretisiert: «Wir arbeiten nicht mit einem automatisierten Chat-Bot, sondern mit echten BeraterInnen.» Digitale Tools steigern das Einkaufserlebnis bei Loeb: Über die verlängerte Ladentheke bzw. die Touch Wall haben KundInnen Zugang zu den digitalisierten Katalogen der Lieferanten. In den Umkleidekabinen für Damen-Unterwäsche befindet sich ein kleiner Screen, über den eine Beraterin bestellt werden kann. Diese erhält eine Push-Nachricht auf ihre Apple Watch. Ein Erfolg seien auch die mobilen Tablet-Kassenstationen: Die KundenberaterInnen können damit die Einkäufe ihrer Kundschaft direkt und diskret via Karte kassieren. Self Scanning ist derzeit auf den Food-Bereich beschränkt, demnächst wird dies aber auch für die Papeterie-Abteilung getestet, wie Martin Stucki durchblicken liess.

Ganz persönlich digital

Daniel Broglie, CEO und Mitglied des Verwaltungsrates der 200-köpfigen Chromos Gruppe mit Hauptsitz in Dielsdorf, zu der auch Fujifilm Schweiz gehört, zeigte, wie vielfältig heute Grosshandelsunternehmen aufgebaut sei können und wie fliessend der Übergang vom Grosshändler zum Systemhaus ist. Daniel Broglie zeigte am Mediengespräch, dass die Digitalisierung vor allem auch die Produkte verändert, was sich wiederum auf die Beratung auswirkt. Er erklärte: «Wir entwickeln uns laufend zusammen mit den Kunden weiter und verstehen uns in diesem Sinne auch als Trendscout.» Bereichsübergreifend ist Chromos mit sehr ähnlichen Herausforderungen konfrontiert: So sinkt generell die Anzahl der Handelskanäle, nehmen der internationale Wettbewerb und die Geschwindigkeit zu. Der CEO der Chromos-Gruppe: «Grundsätzlich geht es beim aktuellen Wandel um eine gute Überleitung vom Digitalen zum Physischen. Digitalisierung macht in unseren Märkten Dinge persönlicher. Ich verstehe die Digitalisierung als eine Massenproduktion mit Losgrösse eins – ein gutes Beispiel ist das Fotobuch oder der 3D-Druck.» Daniel Broglie zeigte, wie die Digitalisierung die Innovation der Produkte fördert, was nicht nur grosse Ansprüche an die Beratung und den Handel stellt, sondern für den Handel auch neue Geschäftsfelder eröffnet. So sind im Bereich Verpackung Etiketten möglich, die ein dynamisches Haltbarkeitsdatum visualisieren, was Foodwaste reduziert. Multichannel-Optionen im Printing und bei Verpackungen ermöglichen App-gesteuerte Spiele auf der Verpackung oder die Identifizierung von Fälschungen. Im Trend liegt auch die personifizierte Verpackung mit individuellem Geschenkpapier. In der Medizin ermöglichen die digitalen Röntgensysteme dreidimensionale Modelle, die zur Vorbereitung der Operation genutzt werden können. Das lässt sich mit dem 3D-Druck verknüpfen, was zum Beispiel beim Training von Operationen am Kinderherzen genutzt werden kann. Chromos bietet nicht nur ein Sortiment an verschiedenen 3D-Druckern an, sondern auch umfassende Beratung rund um 3D bzw. additive Manufacturing. Der externe Zugriff auf Maschinen über Bildschirme bei Chromos erlaubt die Reparatur von Digitaldruck-Maschinen aus der Distanz. Hochleistungskameras für den Einsatz in der Produktionsüberwachung reduzieren Ineffizienz und Verschwendung.

Auf der Sonnenseite

Trotz der erwähnten Herausforderungen stehe der Handelsbereich eingebettet in den gesamtwirtschaftlichen Kontext auf der Sonnenseite, wie Jean-Marc Probst, Präsident von Handel Schweiz, bilanziert. Die «Schattenbereiche» seien politischer Natur: Probst erwähnte etwa das Rahmenabkommen mit der EU, das unbedingt unterzeichnet werden müsse, oder laufende Volksinitiativen wie z.B. die «Konzernverantwortungs-Initiative», die es zu bekämpfen gelte. Die liberale Grundordnung und die Stärkung der Selbstverantwortung der Unternehmen, für die Handel Schweiz eintritt, sieht der Verbandspräsident durch solche Initiativen gefährdet.

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