Schweiz 4.0 am KMU Swiss Symposium: Haben wir genug Energie?

Am 8. September 2022 lud die KMU Swiss zu ihrem traditionellen Symposium, dieses Mal in Brugg. Das Thema lautete «Grenzen (erfahren) – Schweiz 4.0». Gesprächsthema Nr. 1 war die drohende Versorgungskrise bei der Energie.

Geht uns für eine Schweiz 4.0 die Luft aus? Podium am KMU Swiss Symposium vom 8. September 2022 in Brugg: Moderator Michael Sokoll im Gespräch mit Christian Schaffner, Beat Flach und Christoph Brand (v.l.n.r.). Bild: Thomas Berner.

Er hat immer wieder ein glückliches Händchen bei der Aktualität der Themen: Als Armin Baumann, Gründer und CEO von KMU Swiss, vor etwa neun Monaten das Motto für das KMU Swiss Symposium 2022 festlegte, ahnte er wohl noch nicht, wie aktuell es dannzumal sein wird. In der Tat erfahren wir derzeit unsere Grenzen in vielerlei Hinsicht – am sichtbarsten wohl bei der Energieversorgung, die für die nahe Zukunft alles andere als selbstverständlich zu sein scheint. Stossen wir hier für eine Schweiz 4.0 also an unsere Grenzen?

Arbeit 4.0 – Unternehmen 4.0 – Schweiz 4.0?

Grenzenlos scheinen aber zunächst die Möglichkeiten, mit denen sich die Arbeit verändert. «Die Wissensarbeit steht in der grössten Transformation ihrer Geschichte», sagte Zukunftsforscher Raphael Gielgen, der für die Möbelherstellerin Vitra AG als «Trendscout» unterwegs ist. Was bringt also die Zukunft der Arbeit? Und wie können Unternehmen diese antizipieren? Zu diesem Zweck empfahl Gielgen den anwesenden Unternehmerinnen und Unternehmer, immer mal wieder für sich selbst «Was wäre, wenn…»-Fragen zu stellen. Denn in Zukunft werden wir an Produkten arbeiten, die es heute noch gar nicht gibt. Und auch die Art der Arbeit wird sich weiter verändern, wozu man die Mitarbeitenden laufend neu befähigen muss – und dies dürfte wohl inskünftig einfacher sein, als immer wieder neue Fachkräfte rekrutieren zu müssen. Was aber gemäss Raphael Gielgen bleiben und wieder wichtiger werden wird: Die Welt mit allen Sinnen wahrzunehmen. Denn dies kann die Digitalisierung nicht ersetzen.

Ebenfalls um Zukunft ging es in der Präsentation von Carla Kaufmann, nämlich um jene von Unternehmen, die ihre Nachfolge regeln müssen. «Erfolgreiche Unternehmensnachfolge bedeutet Grenzen zu überwinden» lautete der Titel ihres Input-Referats. Dabei fokussierte die Nachfolge-Expertin und Mitgründerin des Schweizer Dachverbands für Unternehmensnachfolge CHDU auf den gesamten Lebenszyklus von Unternehmen in Verbindung mit langfristigem Unternehmertum, was nur mittels erfolgreicher Nachfolgeregelungen möglich ist. Dies illustrierte sie u.a. am Beispiel der Glockengiesserei H. Rüetschi AG, die mit heute 655 Jahren eines der ältesten Schweizer Unternehmen ist. Im Livetalk mit Natalie Spross, CEO der Spross Holding AG, vertiefte sie die Thematik und zeigte auf, wie entscheidend auch der Kulturwandel in einem familiengeführten Unternehmen ist. Natalie Spross führt das 130-jährige Gartenbau-Unternehmen erfolgreich in fünfter Generation.

Energie: Vom Verlassen der Komfortzone

Im nächsten Referateblock ging es dann um das Thema Energie. Christian Schaffner zeigte auf, wie steinig der Weg weg von fossilen Energieträgern noch ist. Aber nur damit werden wir es schaffen, bis 2050 das Netto-Null-Ziel zu erreichen. Die bisher getroffenen und aufgegleisten Massnahmen würden zwar in die richtige Richtung gehen, sollten aber beschleunigt werden. In der anschliessenden Podiumsdiskussion mit Nationalrat Beat Flach und Axpo-Chef Christoph erläuterte letzterer zunächst, worum es beim kürzlich beschlossenen 4-Milliarden-Rettungsschirm für diesen Energieversorger geht: Nicht um die Rettung des Unternehmens, sondern um einen «Notnagel», um für genügend Liquidität zu sorgen, damit die an der Strombörse notwendigen Sicherheiten geleistet werden können. Dieser Vorgang sei vergleichbar mit dem Leisten einer Mietkaution, erläuterte Christoph Brand und betonte, dass dieser Kredit bisher noch nicht in Anspruch genommen werden musste. Bezüglich Erreichung der Klimaziele stellte Christoph Brand ebenfalls klar, dass man einige Illusionen zerstören müsse: «Man kann nicht gleichzeitig einen maximalen Komfort haben, Versorgungssicherheit, maximalen Umweltschutz und minimale Preise.» Er bedauerte – zusammen mit den Mitdiskutierenden des Panels – die teilweise langwierigen Planungs- und Bewilligungsverfahren etwa für Windkraftwerke. Nationalrat Beat Flach warf zudem der Politik vor, «zu lange geschlafen» zu haben. In diesem Zusammenhang zeigte er einen Prospekt von 2009, wo es schon damals um die Förderung alternativer Energie gegangen ist. Christian Schaffner rief dazu auf, dass man die jetzige Krise nun als Chance nutzen soll, um endlich voranzugehen.

Ideen erhalten und wiederbeleben

Im letzten Block sprach Guido Honegger von tracker.ch AG über das Wiederbeleben von Firmen. Dabei ging es weniger um persönliche Nachfolge, sondern um den Erhalt von an sich zukunftsfähigen Geschäftsideen. Als Beispiel führte er die PubliBike AG an, die er Anfang 2022 von der Schweizerischen Post in einem MBO mit übernommen hat und die nun wieder dabei ist, durchzustarten. Auch mit der Firma Adon Production AG besetzt Guido Honegger derzeit eine erfolgreiche Nische: Die totgesagte Vinyl-LP wird in dieser Firma in wachsender Anzahl produziert und erhält somit ebenfalls eine Wiederbelebung.

Zum Schluss zeichnete der ehemalige Spitzendiplomat Dr. Thomas Borer ein Zukunftsbild der Schweiz, das eher durchzogen ist: Unser Land dürfte zwar dank seiner Wirtschaftskraft und dem – inzwischen gemäss UNO bestätigten – höchsten Lebensstandard die Krise besser überstehen als andere Länder. Dennoch wird sich die Schweiz nicht mehr so einfach aus den geopolitischen Krisen heraushalten können, wie dies vielleicht in der Vergangenheit noch möglich war.

Als Fazit der Tagung konnte man mitnehmen: Eine «Schweiz 4.0» ist sehr wohl möglich, doch damit wir damit nicht an Grenzen stossen wollen, ist eine Rückkehr zur gut-schweizerischen Kompromissfähigkeit notwendig und eine Abkehr von derzeit noch zu dogmatisch geführten Diskussionen. Oder wie es Christian Schaffner in seinem Referat forderte: «Wir müssen jetzt entscheiden, wo wir in 20 bis 30 Jahren sein möchten.»

Weitere Informationen: www.kmuswiss.ch

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