SEF.23: Die KMU-Elite in Interlaken

Das Swiss Economic Forum (SEF) findet dieses Jahr zum 25. Mal statt. Zwischen 1300 und 1700 Führungskräfte aus der Wirtschaft sowie viel Polit-Prominenz treffen sich am 8. und 9. Juni in Interlaken zu einem der grössten Networking-Anlässe der Schweiz. Dieses Jahr lautet das Motto: «Make it happen». Am ersten Veranstaltungstag berichten KMU, wo ihnen derzeit am meisten der Schuh drückt.

KMU im Fokus des SEF.23: Moderator Urs Gredig (ganz links) im Gespräch mit Peter Jakob, Beat Röthlisberger und Sandra Banholzer (v.l.n.r.). (Bild: Thomas Berner)

Die 25. Austragung des SEF widmet sich nach «Ausflügen» in eher geopolitisch geprägte Themen wieder dem «Kerngeschäft»: Den KMU als Rückgrat der Schweizer Wirtschaft. Die «Hidden Champions» sollten wieder verstärkt in den Fokus gerückt werden. Was sind ihre Erfolgsrezepte? Und wo liegen die Herausforderungen? Denn davon gibt es auch aktuell genug, wie hinlänglich bekannt ist. So entstand auch das SEF ursprünglich aus einer Krise heraus: 1991 crashte die Spar- und Leihkasse Thun und hinterliess gerade im Berner Oberland einen immensen Flurschaden. Hinzu kam in der Schweiz allgemein eine Zeit, die geprägt war von Stagnation, verkrusteten Strukturen und einer Immobilienkrise. Anstatt zu jammern, wählte man im Berner Oberland aber eine Vorwärtsstrategie und legte damit den Grundstein für die Entwicklung des SEF von einer eher regional geprägten Veranstaltung zu einem Grossanlass, dem immer wieder auch bedeutende Persönlichkeiten aus dem Ausland – Kofi Annan (2009), Tony Blair (2010) Nicolas Sarkozy (2014), Mike Pence (2021) – ihre Aufwartung machten.

SEF.23 mit Fokus auf KMU

Dieses Jahr wurde das SEF durch Bundespräsident Alain Berset eröffnet. Mit Blick auf die aktuelle Lage und den anstehenden Herausforderungen wie z.B. der Klima- und Energiekrise rief er dazu auf, das Vertrauen zwischen Wirtschaft und Politik wieder zu stärken. Er betonte dabei auch, dass gerade eine Stärke der Schweizer Unternehmen darin bestehe, immer von den Besten lernen zu wollen. «Deshalb sind wir Spitze bei der Wettbewerbsfähigkeit und der Innovation», so Alain Berset.

Liess am Rande des SEF.23 seine weitere Bundesrats-Kandidatur durchblicken: Alain Berset. (Bild: Thomas Berner)

Und zu solchen Spitzenreitern gehören Unternehmen wie Röthlisberger Schreinerei AG aus Gümligen, Jakob Rope Systems aus Trubschachen oder die Rausch AG Kreuzlingen. Alle drei Familienunternehmen darf man durchaus zur KMU-Elite zählen. Doch sie können sich nicht auf ihren Lorbeeren ausruhen. Die aktuellen Herausforderungen sind unterschiedlich. So sei man laufend auf der Suche nach neuen Ideen für eine bessere Kundenansprache für ein Traditionsprodukt, erzählte etwa Sandra Banholzer, Chefin von Rausch AG Kreuzlingen, Herstellerin von Haarpflegeprodukten. «Tradition sehen wir als Stärke, nur weiss das kaum jemand», so ihre Antwort auf die Frage, ob es vielleicht gerade die Tradition sei, die bei der Vermarktung für die jüngere Generation sich als Hürde erweise (siehe auch ihr Interview mit unserer Zeitschrift). Beat Röthlisberger, CFO seines familiengeführten Unternehmens mit den zwei Hauptbereichen Möbel und Innenausbau einschliesslich hauseigener Engineering-Abteilung und Klimatechnologie, sieht vor allem den Fachkräftemangel als Problem. «Es wird immer schwieriger, Leute zu finden, die die Passion haben, ein Handwerk zu lernen und am Erfolg zu partizipieren», so Röthlisberger. Peter Jakob, CEO von Jakob Rope Systems, welche Drahtseile für verschiedenste Anwendungen herstellt, empfahl hingegen, auch die positiven Seiten zu sehen. «Wir sehen zu sehr immer nur die negativen Dinge. In vielen Ländern haben die Leute während der Corona-Krise alles verloren, während wir hier in der Schweiz gut durchgekommen sind. Wir sind gut im Jammern, dabei aber enorm privilegiert.» Eine Aussage, die vom Publikum mit Applaus quittiert wurde.

«Never waste a good crisis»

Doch wie geht die erwähnte KMU-Elite mit Problemen um? Für Beat Röthlisberger steht die Vorwärtsstrategie im Vordergrund. Deshalb hat sein Unternehmen eine eigene Möbelkollektion für gehobene Ansprüche geschaffen und auch Niederlassungen in New York und London aufgebaut. Sandra Banholzer wiederum hält es mich Winston Churchill: «Never waste a good crisis». Das zwinge einen dazu, laufend kreativ und innovativ zu sein. Als Beispiel nannte sie etwa die Entwicklung eines neuen Extrakts aus Äpfeln in Kooperation mit lokalen Bauern, als es darum ging, Alternativen für stockende Lieferketten zu finden. Als Vorteil erweise sich zudem auch die Familienstruktur, so Peter Jakob. «Als Familienunternehmen sind wir nicht Shareholdern verpflichtet und können langfristig agieren.» Angesprochen darauf, ob eine Familie nicht auch ein erhebliches Konfliktpotenzial habe, was letztlich der Firma nicht förderlich sei, meinte Beat Röthlisberger: «Innerfamiliäre Konflikte braucht es. Da ist es zuweilen notwendig, auch mal hinter geschlossenen Türen Klartext zu reden».

Und wie sehen KMU die Rolle des Staates? Die Politik spreche wiederholt davon, KMU administrativ zu entlasten. Sandra Banholzer räumte ein, dass das Unternehmertum in der Tat mit viel Papierkram ausgebremst werde. Sie relativiert aber: «Wir jammern oft auf hohem Niveau». Man müsse eben miteinander sprechen, dann lasse sich auch etwas bewegen.

Initiative für die Energiezukunft Schweiz präsentiert

Neben dem Austausch über aktuelle Herausforderungen von KMU standen am ersten Tag des SEF.23 auch noch andere Themen im Fokus. Pierre-Olivier Gourinchas vom Internationalen Währungsfonds IWF und Nationalbank-Präsident Thomas Jordan erörterten die aktuelle Konjunkturlage und setzen auf massvolle Eingriffe der Zentralbanken, um die Inflation nicht zusätzlich anzuheizen. Ex-Schachweltmeister Garry Kasparow wurde zur aktuellen Ukraine-Krise befragt und zeigte sich als dezidierter Kritiker des russischen Einmarschs, wies aber auch auf Fehler des Westens hin, der es verpasst habe, rechtzeitig zu erkennen, was Wladimir Putin seit seiner Machtübernahme wirklich auf der Agenda hatte. Und mit Verweis auf seine Niederlage 1997 gegen den Schachcomputer «Deep Blue», sagte er, dass KI nur eine Technologie sei. «Maschinen machen weniger Fehler», so Kasparow, und das sei auch der Grund gewesen, weshalb ihn eine Maschine besiegt habe.

Garry Kasparov im Gespräch mit Moderatorin Carolin Roth: „KI ist nur Technologie“. (Bild: Thomas Berner)

Und schliesslich ging es am SEF.23 auch um die «Energiezukunft Schweiz». Hierbei wurde eine neue Initiative namens «Coalition for Green Energy & Storage» vorgestellt. Angesichts einer kombinierten Energie- und Klimakrise müsse die Schweiz handeln, um ihr Energiesystem zu transformieren, so Joël Mesot und Martin Vetterli, Präsidenten der ETH resp. EPFL. Gemeinsam mit Partnern und Geldgebern aus Wissenschaft und Industrie starten deshalb die beiden eidgenössischen Universitäten zusammen mit dem PSI und der Empa eine ehrgeizige Initiative zur Entwicklung skalierbarer Lösungen für ein klimaneutrales und unabhängiges Energiesystem.

Weitere Informationen und Impressionen: www.swisseconomic.ch

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