Warenannahme verweigern bei Anscheinsvollmacht? Der Teufel steckt im Detail!

Darf ein Arbeitgeber die Annahme von Ware verweigern, die von einem nicht berechtigten Mitarbeiter bestellt wurde? Grundsätzlich ja, aber wie so oft steckt der Teufel auch hier im Detail.

Wenn ein Mitarbeitender unberechtigterweise Waren bestellt: Darf dann die Lieferung einfach zurückgeschickt werden? Nur dann, wenn nachweislich keine sog. Anscheinsvollmacht vorliegt. (Bild: Rainer Sturm / pixelio.de)

«Wenn jemand, der zur Vertretung eines anderen ermächtigt ist, in dessen Namen einen Vertrag abschliesst, so wird der Vertretene und nicht der Vertreter berechtigt und verpflichtet.» Dies hält Artikel 32 des Obligationenrechts – soweit relativ klar – fest. Was geschieht aber, wenn es tatsächlich an einer Ermächtigung fehlt, der Lieferant aber in guten Treuen davon ausgeht, diese sei vorhanden? Hat der Arbeitgeber nach aussen den Anschein einer entsprechenden Berechtigung geschaffen, tritt die Vertretungswirkung gestützt auf Art. 33 Abs. 3 OR trotzdem ein. Der gute Glaube des Lieferanten wird geschützt, soweit er sich nicht unsorgfältig verhalten hat. Damit soll die Rechtssicherheit im kaufmännischen Verkehr gestärkt werden.

Was ist eine Anscheinsvollmacht?

Eine sogenannte „Anscheinsvollmacht“ kann etwa bereits vorliegen, wenn ein Mitarbeiter Geschäftspapier oder Mailadresse des Arbeitgebers benutzt, jedenfalls sofern er Artikel bestellt, die dem Geschäftszweck der Firma entsprechen. Dies wäre beispielsweise ohne weiteres zu bejahen bei einer grösseren Fleischbestellung für ein Restaurant, nicht aber für eine Treuhandfirma. Auch die Menge muss stimmen; bestellt ein Mitarbeitender für einen Kiosk ein paar Schachteln Schokoriegel, wäre von einer Anscheinsvollmacht auszugehen, bei Bestellung einer Tonne Schokolade aber nicht mehr.

Wann darf eine Warenannahme verweigert werden?

Ist ein Mitarbeiter z.B. mit Einzelzeichnungsberechtigung im Handelsregister eingetragen, und hat der Lieferant von allfälligen, internen Einschränkungen der Vertretungsbefugnis keine Kenntnis, bindet der Kaufvertrag den Arbeitgeber ebenfalls, und dieser muss den Kaufpreis bezahlen. Fehlt es aber schon am Anschein einer Ermächtigung, muss der Lieferant gegen den Mitarbeiter vorgehen, falls der Arbeitgeber den Vertrag nicht im Nachhinein genehmigt (Art. 38 Abs. 1 OR). Erfolgt die Genehmigung nicht, haftet der Mitarbeitende, sofern er nicht nachweist, dass der Lieferant den Mangel der Vollmacht kannte oder hätte kennen sollen. Der Arbeitgeber darf die Warenannahme mit anderen Worten nur verweigern, sofern weder eine ausdrücklich kundgegebene noch eine Anscheinsvollmacht vorliegt.

Zeichnungsberechtigung überprüfen

Fazit: Als Lieferant darf es erst gar nicht so weit kommen. Mit der Bonitätsprüfung geht auch die Prüfung der Zeichnungsberechtigung einher. Hierfür braucht es verlässliche Informationen von einem verlässlichen Partner!

Zum Autor:
Raoul Egeli ist seit 2008 Präsident des Schweizerischen Verbands Creditreform und seit 2014 Präsident von Creditreform International sowie Mitglied der Gewerbekammer des SGV. Zudem ist er Geschäftsführer der Creditreform Egeli Gesellschaften in Basel, St. Gallen und Zürich. 2009 bis 2013 war er Zentralpräsident von TREUHAND|SUISSE. Raoul Egeli ist Autor mehrerer Fachbücher rund um das Thema Kredit und Forderungsmanagement. www.creditreform.ch

 

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